WiWi Gast schrieb am 15.12.2021:
Eine Frage hier an die Experten:
Lohnt sich die frühzeitige Umstellung (mind. 6 Monate vorher) der Steuerklassen der Ehepartner von 4/4 auf 3/5 (3 Frau/5 Mann), um mehr Netto zu erwirken und somit mehr Elterngeld zu bekommen?
Durch den Progressionsvorbehalt bin ich mir nicht sicher, ob dies eine tatsächliche Erhöhung über das Jahr ergibt, oder es am Ende keinen wirklichen Mehrwert bietet, da mehr versteuert werden muss. Vielleicht kann hier noch jemand etwas Licht ins Dunkle bringen.
VG
Ganz klare Antwort: ja es lohnt sich das Elterngeld positiv zu beeinflussen und die Wahl der geeigneten Steuerklassen (rechtzeitig vor der Geburt) ist der wesentliche Hebel hierfür.
Und ja du hast recht, dass das Elterngeld einem Progressionsvorbehalt unterliegt. Aber der sich daraus ergebende zusätzliche Steuerzahlbetrag ist viel geringer.
Der Progressionsvorbehalt wird jedoch individuell berechnet. Vereinfacht gesagt wird dazu folgendermaßen vorgegangen:
Nach der gewöhnlichen Methodik wird über das zu versteuernde Einkommen (ohne Elterngeld) eure Steuerlast ermittelt. Diese Steuerlast ins Verhältnis gesetzt zum zu versteuernden Einkommen ergibt einen Durchschnittssteuersatz.
Dann wird virtuell auf das zu versteuernde Einkommen noch das Elterngeld aufaddiert. Für dieses "virtuelle" Arbeitseinkommen (mit Elterngeld) wird über den Tarif wieder die "virtuelle" Einkommenssteuer ermittelt und aus dem Quotient von beiden der "virtuelle" Durchschnittssteuersatz. Aufgrund der Progression im Steuertarif wird dieser "virtuelle" Durchschnittssteuersatz etwas höher sein als der ursprüngliche Durchschnittssteuersatz (ohne Elterngeld). Der neu ermittelte "virtuelle" Durchschnittssteuersatz wird jetzt auf das ursprüngliche zu versteuernde Einkommen angewendet und damit die Einkommenssteuer berechnet.
Beispiel (aus tatsächlicher Lohnsteuertabelle für 2021 mit Splittingtarif; SolZ und Kirchensteuer berücksichtige ich hier nicht) für einen Haushalt mit einem zu versteuernden Einkommen von €100.000
Zu versteuerndes Einkommen ohne Elterngeld zvE1 = €100.000
führt laut Tarif zu einer Einkommenssteuer von ESt1= €23.988
Das entspricht einem Durchschnittssteuersatz D1 = 23,99%
zweiter Schritt: Ermittlung der "virtuellen" Steuerlast mit Elterngeld:
Annahme: Elterngeld = voller Satz von €1.800 bezogen über 12 Monate
zvE2 = zvE1 + 12 x €1.800 = €121.600
Laut Tarif ergibt sich aus zvE2 eine Einkommenssteuer ESt2 = €32.798.
Das enspricht einem Durchschnittssteuersatz D2 = ESt2 / zvE2 = €32.798/€121.600 = 26,97%
dritter Schritt: Anwendung des so ermittelten Durchschnittssteuersatzes D2 auf das ursprüngliche Einkommen zvE1 zur Ermittlung der endgültigen Einkommenssteuer ESt3:
ESt3 = zvE1 x D2 = €100.000 x 26,97% = €26.970
Unterschiedsbetrag zwischen ESt1 und ESt3:
= €26.970 - €23.988 = €2.982
Das gesamte Elterngeld (€21.600 Jahressumme) erhöht also die Steuerlast nur um knapp €3.000 (der sogenannte Progressionsvorbehalt).
--> Es lohnt sich also nicht (auch nicht anteilig) auf Elterngeld zu verzichten :-)
Der individuelle Mehrbetrag bei der Einkommenssteuer hängt natürlich vom individuellen zvE ab. Das müsste man also im Einzelfall durchrechnen. Es ist aber immer günstiger...
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