Hatte neulich selbst so ein Gespräch. Stelle ausgeschrieben als Junior Consultant bei einem beratenden Ingenieurbüro mit Spezialisierung auf Pharma. Nicht mein Traumjob, aber als Notlösung falls ich sonst nirgends was finde akzeptabel. Da es hier ja scheinbar Interesse gibt, beschreibe ich mal wie es bei mir lief:
Innerhalb von zwei Tagen nach Bewerbung kam ein Anruf für die Vereinbarung eines Telefoninterviews. Hier war auch von einer Stelle als Junior Consultant die Rede.
Eine Woche später beim Telefoninterview wurde zuerst absolutes Grundwissen abgefragt. In etwa das verfahrenstechnische Äquivalent der Zahlen von eins bis zehn. Als ich nach gefühlt zwanzig Fragen die Gegenfrage stellte, was es denn mit diesen Fragen auf sich hätte wurde mir gesagt, ich könne mir ja gar nicht vorstellen was für unfähige Bewerber teilweise kämen. Zeugt natürlich nicht gerade von besten Manieren, aber okay.
Dann wurden mir die Arbeitsbedingungen erläutert: Arbeit vor Ort beim Kunden für immer genau sechs Monate. Wohnung würde gestellt, für die Anfahrt sei aber der eigene PKW zu verwenden. Mit den sechs Monaten war mir klar, dass es um ANÜ geht, da über sechs Monaten der Tarif des Kunden gelten würde. Ab hier war klar, dass die Stelle nichts ist, aber ich spielte das Gespräch noch zu Ende.
Als ich auf die Frage, wo ich mich in ein paar Jahren sehen würde mit "Partner oder zumindestens Senior Consultant" antwortete, wurde mir hier lang und breit die Aufstiegsfolge des Unternehmen erläutert (Junior für ein Jahr, Consultant für min. 2 Jahre, Senior Consultant als Endstufe). Von "Up or out" hatte die Dame allerdings noch nie was gehört und erzählte mir stolz von einem 50jährigen, der immer noch Consultant sei. Ob das was positives sein sollte?
Dann kam die Frage nach dem Gehaltswunsch. Nach Tarifvertrag VAA (Akademikergewerkschaft Chemie und Pharma) stünden mir Mindestbezüge von 66k zu. Da die Firma nicht tarifgebunden ist, schlug ich 60k vor und wäre beim Vorstellungsgespräch bis auf 55k runtergegangen. Die Antwort war Gelächter und die Behauptung, nicht mal die BASF würde so viel zahlen (Was nicht stimmt - nur schreibt die BASF aktuell leider nur pro forma Stellen aus), geschweige denn eine kleine Beratung. Bekommen würde ich 45k fix, ohne variable Anteile.
Damit war das Gespräch im wesentlichen durch und es hieß, meine Unterlagen würden an die Fachabteilung weitergeleitet und ich bekäme sieben Tage später eine Einladung oder Absage.
Praktisch kam dann acht Tage später die Einladung. Bis dahin hatte ich eine Einladung zu einem Assessment Center bei einem der größten Pharmakonzerne und lehnte daher freundlich ab.
Also ehrlich, bei so einer Behandlung brauchen sich die Sklavenvermittler nicht wundern wenn sie nichts ordentliches finden. Wer arbeitet schon freiwillig nach dem Studium für ein Gehalt, dass unter dem eines frisch ausgebildeten Chemikanten liegt?
Zur Einordnung:
Ich bin Dipl.-Ing. Verfahrenstechnik, Einser Diplom, Zusatzqualifikationen in BWL und Informatik, nachweislich Englisch auf C2 Niveau und 6 Monate Praktika bei Weltkonzernen. Lediglich der vielerorts gewünschte Auslandsaufenthalt fehlt. Wäre der Markt nicht momentan so mies hätte ich mich vermutlich nie bei einem Büro beworben.
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