Es ist schwierig, bereits zum Studienabschluss einen Marktwert zu haben, der von den üblichen Einstiegswerten der Unternehmen abweicht.
Nicht umsonst gehen viele Absolventen erstmal zu Unternehmensberatungen, "Big4"-Gesellschaften oder Investmentbanken, auch wenn sie eigentlich in das mittlere/höhere Management eines Mittelständlers / einer Bank wollen, weil sie glauben, nach einigen Jahren in diesen Firmen dann einen sauberen "Quereinstieg" zu schaffen und dann gleich "Leiter Rechnungswesen" werden (hier im Forum eine oft geäußerte Ausstiegsposition für gescheiterte oder frustrierte Big4ler, die nach ein paar Jahren die Nase voll haben - ganz so, als würde sie die Industrie die Finger nach diesen Leuten lecken...).
Prinzipiell ist Dein Einstiegsgehalt verhandelbar, und zwar umso leichter, je kleiner die Firma ist. Je kleiner die Firma ist, desto geringer sind dafür im Schnitt die Einstiegsgehälter - und genau da liegt das Paradoxon. Hilft es Dir psychologisch, einen Mittelständler von 30K auf 35K hochzuhandeln, wenn Du in der Industrie für 50K hättest einsteigen können? Ist Dir das Gehalt so wichtig, dass Du dafür auf den Traumjob verzichten würdest, oder ist es doch nur ein angenehmer Nebeneffekt einer erfolgreichen Arbeit mit Spaß und Freude?
Im Mittelstand lernst Du "by doing" in einem kleinen und beherrschbaren "pragmatischen" Umfeld, im Großkonzern lernst Du anhand von Regeln, Strukturen, Zuständigkeiten, Prozessen etc. den Ablauf des Großen. Da die Arbeit dort komplexer ist und im Schnitt in der Verwaltung die besseren Leute gebraucht werden, zahlt man die höheren Gehälter. Sonst würden die guten Leute von vornherein zu den kleinen Firmen gehen. Irgendwann musst Du entscheiden, zu welchem der beiden Wege Du passt. Wenn es tatsächlich der Mittelstand sein soll, dann musst Du dich mit einigen Regeln des Mittelstands anfreunden:
- Der Mittelstand zahlt nicht für irgendwas auf dem Papier (toller Abschluss etc.), wenn er es nicht direkt in bare Münze verwandeln kann.
- Beim Mittelstand entscheiden die Eigentümer oftmals noch über jedes Gehalt und nicht angestellte Manager.
- Der Mittelstand legt einen höheren Wert auf Firmentreue, Zusammengehörigkeit, Beständigkeit, Erhalt des Unternehmenswerts, Erhalt von Standorten, Wahrung von traditionellen Firmengrundwerten.
Das alles sind Dinge, die es schwierig machen werden, in einem mittelständischen Unternehmen vom ersten Tag an ein Top-Gehalt zu bekommen. Das Vertrauen gegenüber Absolventen ist dort einfach nicht so hoch. Man schaut sich lieber erst an, ob jemand wirklich Ergebnisse zustande bringt und passt dann je nach Notwendigkeit die Entlohnung nach oben an. Dabei können durchaus gute Gehälter rausspringen, aber eben erst nach einiger Zeit. Wenn Du es dennoch versuchen willst:
- Bringe konkrete Fähigkeiten mit, die sich für das Unternehmen auszahlen.
- Habe Kontakte zu "ganz oben", als möglichst zum Eigentümer der Firma.
- Bereite beim Einstieg 2-3 Alternativen vor, die Du wählst, wenn der Vertrag nicht Deinen Vorstellungen entspricht. Und sei bereit, diese Alternativen dann auch wirklich wahrzunehmen.
- Zur Not wähle ein Gehaltspaket mit geringen fixen und hohen variablen Anteilen. Muss sich aber nicht unbedingt auszahlen.
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