WiWi Gast schrieb am 01.02.2021:
Falsch. Arbeiterpaare konnten sich das ohne Probleme in den 60ern, 70ern, 80er und in den 90ern leisten. Teilweise mit einem Vollverdiener. In den letzten Jahrzehnten kam zwar auch das Erbe hinzu, das musste aber leider oft auf sehr viele Kinder verteilt werden und war auch noch nicht so groß. In den 2000ern und bis Mitte der 2010er brauchte man schon zwei Vollverdiener, bekam aber häufig auch noch ein Erbe aus den besseren Zeiten. Seit Mitte der 2010er wird es auch für zwei gut verdienende Vollverdiener schwierig. Erbe wäre hier ideal.
Das, was wir aber sehen ist daher Vergangenheit. Die Arbeiter mit dem schicken Haus haben nicht jetzt gebaut, sonder oft schon vor Jahrzehnten. Ihren Arbeitsplatz haben sie auch sicher und die tariflichen Lohnsteigerungen haben ihnen ein Einkommen beschert, von dem viele Akademiker heute träumen. Hinzu kommt oft, dass die Eltern- und Großelterngeneration ihr Vermögen einfach nicht ausgegeben hat und so auch die Arbeitereltern den Kindern ein kleines Häuschen und 100k Ersparnisse vermachen konnten.
Ich kenne das selbst. Meine Familie waren alles Arbeiter. Ich bin jetzt Einzelkind. Ich werde am Ende zwei Einfamilienhäuser, das meiner Eltern und das meiner Großeltern, das meine Mutter geerbt hat, erben, Ein Haus wurde schon auf mich übertragen und ich wohne mietfrei und spare mir daher den Posten komplett. Das andere Haus bekomme ich auch noch. Das werde ich später vermieten. So lässt sich Vermögen dann natürlich aufbauen, denn mit meinem regulären Job (40 k brutto nach 1,6 Master, 5 Jahre BE) bekäme ich das vermutlich nicht hin. Ohne Erbe wäre ich in Miete. Was würde mir dann noch bleiben? 1000 netto? Na, dann finanzier davon mal ein Häuschen.
Das ist aber kein Standard 2021. Ein Arbeiterpaar, das jetzt 20 ist, kommt nur selten in diese Spähren, wenn es eben nicht erbt, was natürlich immer noch möglich ist. Blöderweise genießen die Elterngenerationen der heute 20jährigen das Leben mehr und hinterlassen oft weniger. Einziger Vorteil ist, dass es weniger Kinder sind und daher mehr für den einzelnen bleibt, aber halt auch nicht für alle.
Egal wie, die Zeiten sind andere und ständig darauf zu verweisen, was 50-jährige Arbeiter oder Akademiker verdienen, die ihre Verträge aus anderen Zeiten haben, hilft uns hier gar nichts. Es zählt das heute und da erbt man am besten, um eine gute Grundlage zu haben.
Schön zusammengefasst. Die Zeiten sind einfach andere. Unser großes Problem ist, dass wir fast alle noch wie die Maden im Speck aufgewachsen sind und bereits als Kinder in der Regel absolut alles hatten.
Außerdem gab es das Studium und Abi für alle noch nicht. Wir sehen, wie weit unsere Eltern mit der Hauptschule gekommen sind, und denken, dass wäre der Mindestwohlstand, der uns zusteht. Wenn die das mit Hauptschule haben, dann müsste man selbst doch viel mehr haben, oder?
Nur, diesen Mindestwohlstand gibt es nicht. Wer nicht erbt, kämpft für sich allein von Anfang an. Es hilft absolut nichts darauf zu verweisen, dass man mal vor 20 Jahren mit Hauptschule und Lehre (angeblich) super gefahren ist, da heute Abi und Studium eben der Standard ist, der Hauptschule und Lehre waren. Und da ist auch nicht jeder gut gefahren. Oder wie hoch ist z.B. die Mietquote in Deutschland? 60%? Also haben 60% oder mehr es auch früher nie zu Wohneigentum gebracht!
Vor 20 Jahren hätten die meisten der heutigen Akademiker auch nur Hauptschule und Lehre gemacht, weil Abi und Studium einfach so brechschwer waren, dass nur die wenigsten beides erfolgreich überstanden haben. Wenn ich etwas aber inflationär mache, dann verliert es an Wert. Akademiker ist heute praktisch jeder und wer es noch nicht ist, wird nachträglich durch Berufsbachelor oder Master zu einem gemacht, wenn er es beantragt.. So sind auch Opa, Oma, Papa und Mama mit ihrer Hauptschule und der Lehre endlich Akademiker.
Die ganzen Quervergleiche helfen daher nichts. Es gibt keinen Anspruch auf einen Wohlstand, der über dem der Eltern liegt und wir sind auch nicht klüger oder wirklich besser ausgebildet. Nur anders. Im Gegenteil sind wir die "Abwärtsgeneration", die immer mehr Ansprüche hat und oft dafür immer weniger leisten will. Wir bedingen unseren Abstieg daher selbst. Nicht jeder. Nicht der einzelne. Aber als Generation.
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