Reserven der Versicherer: Bundesregierung kündigt Neuregelung an
Mit dem stetig sinkenden Zinsniveau in der Versicherungsbranche steigen die stillen Reserven, auf die die Versicherer zurückgreifen können. Lange war umstritten, wem die frei gewordenen Mittel zugute kommen sollten. Nun kündigt die Bundesregierung eine grundlegende Neuregelung der Angelegenheit an und versetzt Versicherer und Versicherte damit gleichermaßen in eine gespannte Erwartungshaltung.
Die Verwendung von Reserven, die Versicherern zur Verfügung stehen, war schon immer ein stark diskutiertes Thema. Insbesondere der Umgang der Lebensversicherer mit Bewertungsreserven war mehrfach in der Kritik. Während Kunden forderten, an den erwirtschafteten Überschüssen in angemessenem Rahmen beteiligt zu werden, zeigten sich die Unternehmen meist eher zurückhaltend und pochten auf die Notwendigkeit, die Reserven für Krisenzeiten in den eigenen Reihen halten zu wollen. Bereits im Januar kündigte das Bundesfinanzministerium deshalb eine Initiative an, mit der das Beteiligungssystem der Versicherer transparenter und kundenfreundlicher gestaltet werden soll, insbesondere für Bestandskunden. Das Ergebnis der Überlegungen, das für die kommenden Wochen angekündigt war, ist für Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen gleichermaßen von Interesse, schließlich sind die derzeit zur Verfügung stehenden Reserven so umfangreich wie noch nie.
Sinkendes Zinsniveau stärkt Reserven der Versicherer
Das Zinsniveau in der Versicherungsbranche befindet sich auf einem Rekordtief. Der Garantiezins für Lebensversicherungen soll auf Anraten der Aktuarvereinigung erneut von derzeit 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent gesenkt werden. Die Renditen langfristiger Anleihen, die bereits in zinsstärkeren Zeiten aufgekauft wurden, werden damit so renditestark wie nie zuvor und schwemmen Versicherern größere Mengen an Rücklagen in die Kassen. Wer soll aber von diesen zusätzlichen finanziellen Mitteln profitieren. Das aktuelle Versicherungsrecht sieht vor, dass die Reserven vor allem an Eigentümer einer Lebensversicherung ausgeschüttet werden, die ihre Versicherung kündigen oder deren Vertrag zuteilungsreif ist. Bestandskunden bleiben bislang bei der Verteilung der Überschüsse außen vor und sind damit trotz ihrer Treue zum Versicherungsunternehmen und dem Kapital, das sie mit ihren Beiträgen für neue Investitionen zur Verfügung stellen, oft schlechter gestellt. Deshalb ist die Bundesregierung jetzt um eine grundlegende Reform der Gesetzeslage bemüht, die sie in Zusammenarbeit mit den Ländern umsetzen möchte, um die Interessen einzelner Versicherungsnehmer künftig besser vereinbaren zu können.
Konkrete Ansätze der Gesetzesänderung wurden bislang nicht bekannt, doch solle der Schwerpunkt nach Angaben aus Regierungskreisen auf ein Gleichgewicht zwischen der Beteiligung bleibender Kunden und der Wertschöpfung ausbezahlter und gekündigter Verträge gelegt werden. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte die Bundesregierung eine entsprechende Reform angestrebt, die aber letztendlich daran scheiterte, dass die Länder unter einer Regierung von Rot-Grün nicht zur Zustimmung zu bewegen waren. Der neue Versuch soll die Länderregierungen jetzt zu einem früheren Zeitpunkt in die Überlegungen miteinbeziehen, um einen breiten Konsens zu erreichen.
Neuregelung der Überschussbeteiligung: Versicherer sind skeptisch
Während Versicherungsnehmer mit älteren Verträgen auf eine kundenfreundliche Neuregelung der Zuteilung frei gewordener Reserven hoffen, zeigen sich Versicherer eher skeptisch, was die neue Gesetzeslage angeht. Sie fürchten um ihre Freiheit im Umgang mit den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln. Bislang legt die deutsche Rechtsprechung fest, dass Versicherungsnehmer vornehmlich an den aus den Zinsen erwirtschafteten Gewinnen beteiligt werden müssen. 90 Prozent aller Zinsgewinne müssen Versicherer wie CosmosDirekt oder ErgoDirekt somit an ihre Kunden ausschütten. Was die Risiko- und Kostenüberschüsse angeht, sind Versicherer deutlich freier in der Zuteilung. Hier stehen den Kunden bislang 75 Prozent der Risikoüberschüsse und nur 50 Prozent der Kostenüberschüsse zu. Mit den restlichen Reserven dürfen Versicherungsunternehmen nach eigenem Gutdünken verfahren und diese entweder wieder in Wertpapiere investieren oder sie an Aktionäre ausschütten beziehungsweise als Reserven für Krisenzeiten im eigenen Unternehmen halten.
Noch ist zwar nicht klar, ob und inwiefern eine Neuregelung aus Regierungskreisen diese Richtwerte antasten werden, doch bangen Versicherer schon heute um ihre Möglichkeiten im Hinblick auf die Verwendung zur Verfügung stehender Finanzmittel und pochen auf die Notwendigkeit, durch zusätzliche Reserven Sicherheiten aufzubauen, mit denen auch künftig Krisen des Finanzmarktes zu überbrücken seien. Verbraucherschützer hatten allerdings bereits zu den vergangenen Gesprächen im Hinblick auf eine Gesetzesänderung gefordert, dass Versicherungsnehmer künftig auch an Risiko- und Kostenüberschüssen zu 90 Prozent zu beteiligen seien. Ob die Regierung in ihrem Gesetzesentwurf auf diese Forderung eingehen wird, bleibt abzuwarten.
Die Bundesregierung hat eine umfassende Neuregelung zur Verwendung von Bewertungsreserven im Bereich Lebensversicherung angekündigt. Die bisherige Gesetzeslage soll kritisch überprüft und im Hinblick auf eine höhere Gleichstellung von Bestandskunden von Lebensversicherern überarbeitet werden. Die Bundesregierung möchte die Initiative in Zusammenarbeit mit Bund und Ländern erarbeiten und hofft auf einen breiten Konsens von Seiten der Länderregierungen. Erste Informationen zur Ausgestaltung der neuen Initiative werden in den kommenden Wochen erwartet.