Man muss auch berücksichtigen, dass die Definition von "Mangel" zwischen Absolventen/Arbeitnehmern und Arbeitgebern unterschiedlich ist.
Wenn ich zurück denke an meine Unizeit, da haben wir (Ings) uns unter Fachkräftemangel immer vorgestellt, dass wirklich jeder Absolvent nach dem Studium eine Hand voll gute Angebote bekommt, aus denen er sich eins aussuchen kann.
Ich bin jetzt seit einigen Jahren auf der anderen Seite und auch mit Einstellungsprozessen befasst. Und hier ist die Definition eine andere. Wir klagen tatsächlich auch über einen Fachkräftemangel in manchen Fachrichtungen, nicht bei meiner Vertiefung, aber einigen anderen. Bloß heißt das für uns nicht, dass jeder Absolvent mehrere Angebote bekommt. Die Wunschsituation ist eher, dass wir auf jede Stelle mehrere geeignete Bewerber kriegen, die wir von unseren Anforderungen alle nehmen würden, und uns dann einen aussuchen. Und wenn das nicht der Fall ist, ist das für uns ein Mangel.
Es geht also nicht darum, dass sich niemand bewirbt, sondern dass es zu wenig Bewerber mit den Noten, der Praktikumshistorie, den Softskills und der Persönlichkeit gibt, wie wir sie haben wollen.
Und ich glaube nicht, dass das an den Rahmenbedingungen liegt. Wir sind im Tarif, zählen da zu den am besten zahlenden Arbeitgebern, die Firma hat ein gutes Ansehen und gute Arbeitsbedingungen.
Klar kann man jetzt sagen, dann müssen die Arbeitgeber ihre Ansprüche runterschrauben. Aber es ist denke ich verständlich, dass man sich für das gleiche Geld niemanden holen will, der nur 75 % vom gesuchten bietet, oder sich zumindest darüber beschwert wenn man dazu genötigt ist.
Das Problem ist aber auch, dass die aktuelle Politik die Situation nicht verbessert. Wir haben einen Mangel an Top-Ingenieuren (und in ganz vielen anderen Bereichen), den bekommen wir aber nicht dadurch ausgeglichen, dass wir immer mehr Leute in die Unis schieben. So wird aus jemandem, der ein guter Mechaniker oder Techniker gewesen wäre, ein mäßiger Ingenieur. Der Mechaniker oder Techniker wird auch händeringend gesucht, der mäßige Ingenieur nicht. Im schlimmsten Fall zieht man durch die zusätzlichen Studenten, die besser gar nicht an die Uni sollten, sogar das Niveau von allen nach unten, und nachher ist das Ergebnis ein verschlimmerter und kein verbesserter Mangel an wirklich guten Leuten.
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