Nur weil etwas - deiner Ansicht nach - empirisch belegt ist, steht es nicht weiter zur Diskussion. Wie unverhohlen ignorant. Die empirische Evidenz ist oft mehr Schein als Sein ("Suche nach der Signifikanz"), darüber sollte sich jeder Wiwi mit entsprechender Ausbildung bewusst sein.
Unabhängig davon ist diese empirische Studie von dir verzerrt. Der in diesem Zusammenhang abnehmende Grenznutzen bezieht sich auf Einkommen ab ca. 75k bis 150k und von da circa wieder bis 250k. Das ist auch nachvollziehbar, da durch die Steuerprogression und das gefühlte Erleben in diesem Rahmen ein nicht stark spürbarer Unterschied eintritt (bspw. wird das Hotel vielleicht etwas besser, aber First Class fliegen oder Urlaub worauf man Bock hat ist bei Familie mit 150k p.a. nun mal immer noch nicht drin).
Bei deutlich größeren Summen sprechen wir aber wieder von ganz neuen Möglichkeiten, die im Endeffekt für eine ganz andere Bedürfnisbefriedigung sorgen. Es tritt ein ganz andere Form der finanziellen Absicherung ein. Von Abfindungsansprüchen ganz zu schweigen. Man kann sich das Leben einfach ungemein erleichtern.
Natürlich ist die Frage immer, wie viel man dafür an "Freizeit" aufgeben muss. Das steht meines Erachtens aber nicht zur Debatte. Mir geht es eher darum, dass wenn ich mit zB 35 Jahren 5 Millionen besitze, ich in jeglicher Hinsicht frei bin. Dann kann ich meine Kinder sehen wann ich will und muss mir um viele Dinge keine Sorgen mehr machen. So ist es nun einmal in unserer Gesellschaft, Geld beschleunigt vieles. Und viel Geld in Kombination mit viel Zeit ist nun einmal mehr Wert als wenig Geld und viel Zeit oder durchschnittlich viel Geld und viel Zeit. DAS ist meiner Meinung nach absolut undiskutabel.
Mit einem Einkommen von 70k und einer 40h Woche kann man zwar gut Leben, bei 2 Kindern aber nur solange, wie beide Partner arbeiten. Sobald ein Partner ausfällt, wird es finanziell sehr eng und es gehen die klassischen Ängste los. Was bringt es mir, wenn ich zwar beim Fussballspiel stehe, aber mein Magen flau ist, weil dieses Jahr die Finanzierung für das Haus doch knapp wird oder ich meinen Kindern verklickern muss, dass der Urlaub wohl eher nicht drin ist. Und hier reden wir nicht von einem Porsche oder Privatjet sondern vom normalen Reihenhaus/mittelgroßer Wohnung und einem AI Urlaub in Griechenland.
Ein mittleres Einkommen bindet einen Menschen immer an die Abhängigkeit nach mehr Kapital, um gewisse Risiken kategorisch auszuschließen (lassen wir mal die Gesundheit außen vor). Das beschränkt die Freiheit meiner Meinung nach.
Tatsächlich höre ich zudem entweder nur von Extremen, dass Geld unwichtig sei. Entweder vom Multimillionär (hoch zweistellig-vierstellig) oder vom gesellschaftlich-alternativ eingestellten Individuum mit Schlappen aus Baumrinde.
Abschließend möchte ich aber betonen, dass das Karriereextrem mit hohem Einkommen und wenig Freizeit (IB/UB) MIT Familie für mich auch unattraktiv ist. Das liegt nicht nur an der Einstellung vieler Kollegen sondern den Branchen an sich. In diesem Fall würde ich Freizeit auch immer hoch gewichten und sehe ebenfalls das Mittel als richtigen Weg an. Dazu kommt und sollte immer betont werden, dass wir - hier soziale Stigmata außen vor (!) - sozial soweit abgesichert sind, dass man um die eigene Existenz nur bedingt fürchten muss. Die Stigmata sind dafür jedoch umso etablierter.
WiWi Gast schrieb am 13.06.2018:
Gut, du hast insofern schon recht, dass man dadurch seinen Kindern finanziell viel mehr ermöglichen kann. Das steht außer Frage.
Allerdings bin ich trotzdem der Auffassung, dass in dieser Hinsicht der Mittelweg der richtige/bessere ist. Es gibt gewisse Gehaltsgrenzen, wo Geld nicht mehr glücklicher macht (sondern nur noch die eigenen Machtgelüste befriedigt). Das ist auch empirisch belegt und steht somit auch nicht weiter zur Diskussion.
Ich bleibe bei der Auffassung, dass jemand mit einer 40h Woche, einem Gehalt von 60-70k nach 10 (?) Jahren Berufserfahrung trotzdem mehr Freiheiten im Leben hat, als ein MD einer Investment Bank der Nachts vor 23 Uhr nicht nach Hause kommt und sogar am Wochenende noch arbeiten muss, dafür aber seine 200-300k einschiebt.
Wo bleibt die Freude am Leben, wenn man seine Familie nie sieht, nicht mal Abends gemütlich auf der Couch ein Fußballspiel ansehen kann, nicht mehr mit den Verwandten oder Freunden Essen gehen kann unter der Woche? Was macht man denn mit der tollen Villa, die man sich hingebaut hat, wenn man eh nie dort ist? Das erstickt einen auf kurz oder lang und man muss ein absolut geldgeiles Arbeitstier sein um sowas wirklich durchzuhalten. Da muss man für den Job leben und ALLES (Hobbies, Familie, Kinder, Soziale Kontakte) andere hinten anstellen.
Dein Punkt mit der Entscheidungsfreiheit ist insofern auch Quatsch. Was hat jemand noch großartig im Privatleben zu entscheiden, der eh nie zuhause ist? Und meinst du wirklich es macht Spaß Vater zu sein, wenn man seine Kinder zwar finanziell jeden Traum erfüllt, aber diese höchstens mal am Wochenende sieht? Ich kann's mir nicht vorstellen. Und ich selbst bin richtig froh, dass wir zuhause nicht im Geld schwimmen, aber ich dafür was von meinem Vater hatte und er nicht der "fremde Mann am Tisch" ist. Meine Kindheit und meine Jugend war super, ich würds nicht anders haben wollen und mir tun diejenigen Kinder die das nicht so hatten.
Wer richtig viel verdienen will kann das gerne machen. Ich mache da niemanden einen Vorwurf und jeder hat die Chance zu machen was er will. Aber unterschwellig zu sagen, man ist freier wenn man für sein Geld schuftet wie ein Tier und für die Arbeit lebt ist an Sinnlosigkeit nicht mehr zu überbieten.
WiWi Gast schrieb am 13.06.2018:
So sieht es leider aus. Deswegen bedeutet Geld irgendwo Freiheit.
Natürlich kann ich nur 30 Stunden die Woche arbeiten und mich mit Frau und meinen beiden Kindern am Stadtrand auf 70-80qm quetschen. Da verbringe ich mit meinen Kindern quantitativ zwar mehr Zeit, diese ist aber qualitativ nur bedingt hochwertig. Egal wie bodenständig ich meine Kinder erziehe, irgendwann ist die Zeit mit Fussballspielen auf der Wiese oder Burgen bauen im Sandkasten vorbei. Da gehen schon gewisse Kosten mit der Erziehung einher, von Urlaub ganz zu schweigen. Selbst ein Urlaub in Deutschen Erholungsorten kostet viel Geld und zu den Eltern in den Pott fahren hat nun auch nichts mit Urlaub im herkömmlichen Sinne zu tun. Dazu kommen noch "normale" Güter wie ein bis zwei Autos. die auch erst mal finanziert werden müssen. Darüber hinaus: Wenn mein Sohn oder meine Tochter irgendwann studieren wollen und halt auf die Kunsthochschule nach XY möchten, die leider etwas kostet, dann möchte ich das meinen Kindern bezahlen.
Deswegen ist Geld Freiheit. Es gibt mir Entscheidungsfreiheit. Ich kann bei genügend Vermögen zuhause bleiben oder entscheiden, ob ich meine Lebenszeit gegen Arbeit tausche. Ich kann entscheiden, wie und wo ich wohne. Wann ich was mit meinen Kindern mache. Ich kann einfach allgemein entscheiden, was ich wann und wie mache.
Zu behaupten, Geld wäre - politische Gegebenheiten und Infragestellungen jetzt bitte außen vor - kein Faktor, der pauschal zu mehr Freiheit führt, ist einfach nur heuchlerisch. Es ermöglicht im Rahmen unser heutigen Gesellschaftsstrukturen zumindest innerhalb Europas ein freies Leben. Natürlich kann jetzt wieder das pseudo-intellektuelle Esoterikargument kommen a la "frei bist du nur, wenn du dich von allen gesellschaftlichen Zwängen frei machst und im Urwald deinen eigenen Urin trinkst". Für wen das Freiheit ist, der sollte sich allerdings nicht im Wiwi-Treff herumtreiben.
WiWi Gast schrieb am 13.06.2018:
WiWi Gast schrieb am 13.06.2018:
Mir ist mein Gehalt ehrlich gesagt völlig wumpe, solange ich mir davon 1 Haus, Auto, 2 Kinder und Urlaub leisten kann.
Leider fangen Neubaupreise in Stadtgebieten aktuell fast nicht unter 1. Mio an und genau da geht es los. 100.000 ist heute kein Reichtum mehr sondern brauche ich um das Niveau meiner Eltern halten zu können.
Allerdings galoppieren die Immobilienpreise so schnell davon das ich eher überlege aus dem Hamsterrad auszusteigen.
Das ist genau der Punkt. Eltern klassisches Bildungsbürgertum/(obere) Mittelschicht. Aber um deren Lebensstandard zu erreichen, muss ich zur absoluten Einkommensoberschicht gehören. Erbe kann ich vorrausichtlich erwarten, aber nicht vor ~55-60, hilft mir die nächsten 30 Jahre bezüglich Familie/Haus etc gar nicht.
Wir sind die erste Generation denen es im Schnitt nicht besser geht als unseren Eltern, sondern wir müssen für den selben Lebensstandard deutlich mehr leisten/weniger erreichen ihn. Klassische (wegen mir auch obere) Mittelschicht mit Doppelhaushälfte/Reihenhaus in der Peripherie einer Großstadt, 2 Kinder, 2 Autos ist heute nur mit Gehältern der Top 5-10% finanzierbar. Danke stagnierende Reallöhne und steigende Steuern und Sozialabgaben.
antworten