Zu einem ähnlichen Fall wie den des Eingangsposts gibt es auch eine anonymisierte Auskunft eines spezialisierten Steuerberaters:
Sachverhalt:
Aktenvermerk
1xxxxxxx
Steuerpflicht bei Auslandsaufenthalt
xxx wird zum 01.03.2019 bzw. ggf. bereits zum 01.02.2019 für die xxxx AG in xxxx, Schweiz als xxxxx tätig werden. Auskunftsgemäß wird Hr. xxxx dort nicht als Geschäftsführer oder Organ eingestellt. Er erhält allerdings Prokura. Aus dem Arbeitsvertrag ist grundsätzlich ein abhängiges und weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis anzunehmen.
Laut der letzten Einkommensteuererklärung (für 2017) erzielen die Eheleute xxxxx jeweils Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Darüber hinaus besitzt Frau xxxxx noch eine Eigentumswohnung samt Stellplätzen zur Erzielung von Vermietungseinkünften. Lebensmittelpunkt ist xxxxx.
Nach seinem Wechsel in die Schweiz wird Hr. xxxxx weiterhin ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielen.
Laut Arbeitsvertrag vom 21.08.2018 beträgt die Wochenarbeitszeit 42 Stunden. Das Jahresgehalt liegt bei ca. CHF xxxxx (13 Gehälter)
Darüber hinaus erhält Hr. xxx noch einen Bonus von ca. CHF xxx . Urlaub wird für 25 Tage gewährt.
Hr. xxxx hat auskunftsgemäß eine Mietwohnung in xxxx, Schweiz ab dem 01.01.2019 gemietet. Er beabsichtigt dort werktags zu wohnen und nicht täglich zu seinem Lebensmittelpunkt nach xxxx zurückzukehren.
STEUERRECHTLICHE BEURTEILUNG
Problemstellung:
Wie erfolgt die Besteuerung des Arbeitslohns aus der Schweiz?
Steuerliche Würdigung:
1.) Steuerpflicht in Deutschland:
Grundsätzlich bleibt Herr xxxx trotz des Umzugs in die Schweiz gem. § 1 Abs. 1 S. 1 EStG in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Zum einen befindet sich hier weiterhin sein Wohnsitz bzw. der Ort des Mittelpunkts der Lebensinteressen. Seine Frau bleibt weiterhin in xxx wohnen. In Verbindung mit § 8 AO reicht für die Annahme der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland aus, dass Hr. xxxx eine Wohnung im Inland innehat, so dass er die Wohnung beibehalten und benutzen kann bzw. dies tun wird. Aufgrund des Verbleibs der Ehefrau in Deutschland ist dies anzunehmen.
Zum anderen ist aufgrund des Lebensmittelpunktes in Deutschland und einer angenommenen regelmäßigen Rückkehr an den Wochenenden und zu Urlaubszeiten mindestens von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland im Sinne des § 9 AO auszugehen.
Bei unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland wird grundsätzlich das Welteinkommen besteuert; unabhängig von der Herkunft der Einkünfte. Somit würden auch die schweizerischen Einkünfte in Deutschland voll besteuert.
2.) Steuerpflicht in der Schweiz
Da Hr. xxx auch in der Schweiz eine Wohnung unterhalten wird, ist davon auszugehen, dass auch dort eine unbeschränkte Steuerpflicht angenommen wird. Dies muss noch durch einen schweizerischen Steuerberater geprüft und bestätigt werden.
Im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht in der Schweiz hat Hr. xxxx auch dort die Einkünfte aus der nichtselbstständigen Tätigkeit zu versteuern. Es kommt grundsätzlich zu einer Doppelbesteuerung.
Aufgrund der Entfernung der Arbeitsstätte zu seinem derzeitigen Wohnsitz ist ein weiterer Wohnsitz am Arbeitsort oder in der Nähe voraussichtlich zwingend erforderlich.
3.) Vermeidung der Doppelbesteuerung
Im Falle einer Doppelbesteuerung ist das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Schweiz und Deutschland zu prüfen. Hier wird das Besteuerungsrecht für grundsätzlich doppelt zu besteuernde Einkünfte festgelegt. Einem Staat wird das Besteuerungsrecht zugeordnet. Der andere Staat stellt die Einkünfte dann grundsätzlich von der Besteuerung frei (alternativ: Anrechnungsmethode).
Gem. Art. 4 DBA ist zunächst zu prüfen, wo Hr. xxxx im Sinne des DBA ansässig ist. Nach Abs. 1 ist für die Ansässigkeit die unbeschränkte Steuerpflicht in einem Staat notwendig. Hr. xxxxx wäre allerdings in der o.g. Konstellation in zwei Staaten unbeschränkt steuerpflichtig.
Da gem. Abs. 2 a bei Hr. xxxx jeweils ein Wohnsitz in beiden Staaten anzunehmen ist, ist grundsätzlich der Mittelpunkt der Lebensinteressen ausschlaggebend. Demnach wäre Deutschland der Ansässigkeitsstaat im Sinne des DBA. Ebenfalls sprechen der gewöhnliche Aufenthalt sowie die Staatsbürgerschaft im Sinne des Abs. 2 b und c für eine Ansässigkeit in Deutschland.
Gem. Art. 15 Abs. 1 DBA wird die Besteuerung von Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat durchgeführt. Etwas anderes gilt, wenn die Tätigkeit in einem anderen Staat (Tätigkeitsstaat) ausgeübt wird. Dann erfolgt die Besteuerung grundsätzlich im Tätigkeitsstaat. Dies wäre in diesem Falle die Schweiz.
Gem. Art. 15 Abs. 2 ist jedoch noch Folgendes zu beachten:
Ungeachtet des Abs. 1 können Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine in dem anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden (Ansässigkeitsstaat = Deutschland), wenn
- der Empfänger sich in dem anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Kalenderjahres aufhält,
- die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht in dem anderen Staat ansässig ist, und
- die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber in dem anderen Staat hat.Da die Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, ist im konkreten Falle von einer Besteuerung im Tätigkeitsstaat = Schweiz auszugehen, da die Voraussetzungen im konkreten Fall nicht vorliegen.Darüber hinaus ist noch der Art. 15a zu prüfen.Ungeachtet des Art. 15 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieser ansässig ist. Zum Ausgleich kann der Vertragsstaat, in dem die Arbeit ausgeübt wird, von diesen Vergütungen eine Steuer im Abzugsweg erheben. Diese Steuer darf 4,5 vom Hundert des Bruttobetrages der Vergütungen nicht übersteigen, wenn die Ansässigkeit durch eine amtliche Bescheinigung der zuständigen Finanzbehörde des Vertragsstaates, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, nachgewiesen wird. Art. 4 Abs. 4 bleibt vorbehalten.Grenzgänger im Sinne des Abs. 1 ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Aufgrund der vorgetragenen Sachverhaltskonstellation ist allerdings davon auszugehen, dass Hr. xxxx an mehr als 60 Arbeitstagen im Jahr nicht nach Iserlohn zurückkehrt. Damit wäre der Art. 15a im konkreten Fall nicht anwendbar.Zusätzlich ist Folgendes zu beachten:Gem. Art. 15 Abs. 4 ist eine natürliche Person, die in einem Vertragsstaat ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, mit den Einkünften aus dieser Tätigkeit in diesem anderen Staat besteuert werden, sofern ihre Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb dieses anderen Staates umfasst. Besteuert dieser andere Vertragsstaat diese Einkünfte nicht, so können sie in dem Staat besteuert werden, in dem die natürliche Person ansässig ist.
Auskunftsgemäß ist davon auszugehen, dass Hr. xxx als Prokurist für die Schweizer Firma überwiegend in der Schweiz tätig ist. Daher spricht auch diese Tatsache für das Besteuerungsrecht der Schweiz.
Gem. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d wird die Doppelbesteuerung vermieden, in dem Deutschland die Einkünfte aus der Angestelltentätigkeit des Hr. xxxx bei der Firma xxxx von der Besteuerung ausschließt und freistellt (unter Progressionsvorbehalt).
4.) Auswirkungen des DBA auf die nationale Besteuerung
Gem. Art. 24 des DBA Schweiz und Deutschland hat Deutschland die Einkünfte aus der nichtselbstständigen Tätigkeit des Hr. xxx grundsätzlich freizustellen. Somit werden die Einkünfte dem Grunde nach in Deutschland nicht besteuert (Voraussetzung: Nachweis der Besteuerung in der Schweiz).
Gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen die Einkünfte allerdings dem sog. Progressionsvorbehalt. Dies führt dazu, dass sich der Steuersatz für die Besteuerung der in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte des Hr. xxxx (und seiner Ehefrau bei einer Zusammenveranlagung) erhöht, da die schweizerischen Einkünfte bei der Findung des Steuersatzes (der Progression) doch berücksichtigt werden müssen. Somit führt die Einbeziehung zu einer höheren Besteuerung der anderen Einkünfte mit einer Besteuerung in Deutschland.
5.) Gestaltungsspielraum
Da Hr. xxxxx auskunftsgemäß in Deutschland derzeit keine weiteren steuerpflichtigen Einkünfte erzielt (bzw. dies ab 2019 nicht mehr tut, wenn die nichtselbstständigen Einkünfte in Deutschland wegfallen), wäre eine getrennte Veranlagung bzw. eine Einzelveranlagung der Eheleute anzuraten. Dann läuft der Progressionsvorbehalt des § 32b EStG ins Leere, da keine grundsätzlich in Deutschland zu besteuernden Einkünfte des Hr. xxxx vorliegen. Allerdings führt dies für die Ehefrau grundsätzlich zu einer höheren Besteuerung der eigenen Einkünfte, da der Effekt der Zusammenveranlagung wegfällt (jener ist umso größer, desto größer die Einkunftsunterschiede zwischen Eheleuten sind). Allerdings ist u.E. eine niedrigere Steuerlast durch eine Trennung der Veranlagungen zu erreichen, als Mehrsteuern durch Wegfall der Zusammenveranlagung ausgelöst werden.
Handwerkerleistungen, Spenden etc. sollten soweit möglich dann durch die Ehefrau getragen werden, damit die Ausgaben bei Fr. xxxx über die Einzelveranlagung Berücksichtigung finden. Sonderausgaben sowie außergewöhnliche Belastungen des Ehemanns würden bei ihm mangels Einkünften ins Leere laufen.
Aufgrund des Lebensmittelpunkts in Deutschland ist ein Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland nur durch das Wegziehen beider Eheleute zu erreichen (in die Schweiz). Andernfalls wird die Finanzverwaltung immer von einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Ehemannes in Deutschland ausgehen. Dies löst sodann die o.g. Effekte aus.
Für die Anwendung der Grenzgängerregelung des Art. 15a des DBA müssten die Eheleute in die Grenzregion Deutschland-Schweiz ziehen, damit die o.g. Voraussetzung realistisch und wirtschaftlich sinnvoll erreicht werden können.
6.) Exkurs: Vollständiger Wegzug aus Deutschland
Bei einem vollständigen Wegzug aus Deutschland in die Schweiz wären die Eheleute xxxx in Deutschland mangels Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig. Eine unbeschränkte Steuerpflicht würde dann nur noch in der Schweiz angenommen werden. Dort sind dann vermutlich grundsätzlich sämtliche Welteinkünfte der Eheleute zu besteuern. Dies würde auch grundsätzlich für die Einkünfte aus Vermietung der Eigentumswohnung von Fr. xxxx in Deutschland gelten.
Fr. xxxxx wäre mit den Einkünften aus Vermietung auch in Deutschland gem. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG beschränkt steuerpflichtig. Derzeit werden in der Summe leichte Verluste erzielt, so dass eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland zunächst keine Steuern auslösen würde.
Im Falle von positiven Einkünften kommt es insoweit allerdings wiederum zu einer Doppelbesteuerung der Vermietungseinkünfte in Deutschland und in der Schweiz.
Hier ist dann wiederum das DBA Deutschland-Schweiz heranzuziehen. Fr. xxxxx wäre lt. Art. 4 DBA im abgewandelten Falle in der Schweiz ansässig. Gem. Art. 6 Abs. 1 DBA hat grundsätzlich der sog. Belegenheitsstaat einer Immobilie das Besteuerungsrecht. Dies wäre im konkreten Falle Deutschland.
Gem. Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 DBA wird die Doppelbesteuerung vermieden, in dem die Einkünfte in der Schweiz grundsätzlich freigestellt werden. Eine konkrete Besteuerung / ein Progressionsvorbehalt in der Schweiz wäre in diesem Falle durch einen schweizerischen Steuerberater zu prüfen.
In Deutschland erfolgt eine beschränkte Steuerpflicht bezogen auf die jährlichen Einkünfte aus der Immobilie.
KRANKENVERSICHERUNGSRECHTLICHE BEURTEILUNG
Gelten für einen Arbeitnehmer der in Deutschland wohnt und für den aufgrund einer Beschäftigung in der Schweiz die Schweizer Rechtsvorschriften, führt dies grundsätzlich zu einer Versicherung im Schweizer Krankenversicherungsobligatorium. Eine Befreiung ist möglich, wenn der Nachweis erbracht wird, dass der Arbeitnehmer in Deutschland über einen mit der schweizer Krankenversicherung vergleichbaren Versicherungsschutz verfügt. Die Befreiung ist bei der zuständigen kantonalen Stelle, hier „Volkswirtschaft und Gesundheitsdirektion“ in Liestal innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Beschäftigung zu beantragen (https://www.kvg.org/stream/de/download---0--0--0--996.pdf). Die Befreiung gilt grundsätzlich für die gesamt Dauer einer Tätigkeit in der Schweiz und kann nicht widerrufen werden.
Besteht die Krankenversicherung in Deutschland fort, so gilt, dass in der Schweiz die Leistungen nach dem Schweizer Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) erbracht werden und in Deutschland Leistungen nach dem Sachleistungsprinzip auf Grundlage des Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V), in Anspruch genommen werden können.
Besteht kein Wohnsitz in Deutschland kann auch keine Befreiung erfolgen. Hier wäre bei einer Rückkehr nach Deutschland nachzuweisen, dass eine Versicherung im Rahmen des Schweizer Krankenversicherungsobligatoriums und damit einer gesetzlichen Krankenversicherung bestanden hat (Zulassung durch KVG). In diesem Fall wäre eine Rückkehr in die bisherige deutsche gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich möglich.
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