Update aus 2021:
Dieser ganze Thread hier ist ziemlich alt. Vielleicht interessiert ihr euch Mal für eine aktuelle Einschätzung eines alten Hasen.
Ich bin mittlerweile seit 6 Jahren bei PwC und kann euch sagen: es hängt von der Abteilung ab und es hängt von einem selbst ab.
Was meine ich damit?
Einige trauen sich zu früh zu viel. Das ist blöd, weil man muss auch schon irgendwie zeigen, dass man verlässlich ist und dem teilweise wirklich enormen Leistungsdruck gewachsen ist. Und andere trauen sich zu spät zu wenig. Sie denken, dass ein bestimmtes Verhalten von ihnen erwartet wird und das das immer so weiter geht. Das ist auch blöd, weil die Firma natürlich ein Interesse daran hat, dass Mitarbeiter sich auch auf lange Sicht im Unternehmen wohl fühlen.
Dann kommt oft das Argument, dass aber ja alle brav von x bis x Uhr arbeiten und dass das so erwartet wird. Stimmt das etwa nicht?
Teils teils. Man darf nicht vergessen: es gibt Leute, die gerne mega viel arbeiten und sich extrem reinhängen. Es gibt Leute, die richtig gerne Anzüge tragen. Leute, die richtig gerne von 8 bis 20 Uhr im Büro sind und das cool finden, weil sie sich den Job genau so vorgestellt haben. Und solche Menschen werden natürlich von big4 Gesellschaften angezogen. Aber: so muss man nicht so sein, um bei einer big4 zu arbeiten. PwC propagiert immer wieder, dass es der Mix unterschiedlicher Typen ist, der die Firma erfolgreich macht. Und das meinen sie auch ernst. Ich bin eher so der Typ Sneaker, Stoffhose und T-Shirt mit Blazer. Und wenn ich nicht beim Kunden bin stört das auch keinen. Aber ich muss auch akzeptieren, dass mein Sitznachbar sich wohler fühlt, wenn er einen Anzug trägt. Vielleicht auch weil er weniger Modegeschmack hat und die einfache Wahl für ihn bequemer ist.
Dasselbe gilt für den Urlaub. Manche Kollegen behaupten, bei einer big4 könne man seinen Urlaub nicht planen. Und erst Recht nicht am Stück. Ich hab beides schon erlebt: sechs Wochen direkt schon am Anfang des Jahres einbuchen lassen und Überstundenabbau für alle Feiertage. Und ich hab auch schon im Juni einem Kollegen zwei Wochen Urlaub für Anfang Juli freigeschaufelt, weil seine Freundin spontan mit ihm in den Urlaub fliegen wollte.
Das ist auch Teil der Work-Life-Choice. Du kannst ganz viel machen. Du kannst aber auch mega viel arbeiten. Es wird dich keiner aufhalten.
Die Kehrseite: der Job ist anspruchsvoll. Man muss Bock drauf haben und auch oft bereit sein Überstunden zu machen. 9 to 5 ist selten. Das hat mich aber in 6 Jahren nicht abgehalten nach einem langen Tag an nächsten Morgen auch Mal zu sagen "fuck it. 11 Uhr. Ich hab keine Termine. Ich will schlafen." Oder nach einem Termin marathon ab 7.30 Uhr um 16 Uhr auch Mal "adieu" zu sagen. Da darf man sich auch nicht beirren lassen, wenn ein besonders fleißiger Kollege sagt:"ach du heut nur Teilzeit". Lächeln, winken und weitergehen. Geh zum Sport, überrasch deine Familie mit einem Besuch, geh in den Park. Schöpfe Kraft. Es ist dein Leben, deine Gesundheit. Der Kollege wird im Zweifelsfall im nächsten Jahr kündigen und einen ruhigen Job in einer anderen Branche annehmen. Schon 100 Mal erlebt.
Bei PwC sind die Strukturen oft weniger festgefahren, als ihr euch das vorstellt. Im ersten Jahr bekommt man sicherlich wenig Freiraum zugestanden. Das ist richtig. Aber ihr werdet relativ schnell ein Gefühl dafür entwickeln, wann ihr euch Freiraum nehmen könnt ohne jemand anderen hängen zu lassen. Und dann nutzt diese Freiräume. Sie sind der große große Vorteil.
Wie sehen diese Vorteile aus?
Wenn ich an einem Montag einen Zahnarzttermin habe, muss ich niemand fragen, ob das ok ist, wenn ich erst um 13 Uhr komme. Aber es ist höflich, einem Kollegen Bescheid zu sagen.
Wenn mein Überstunden Konto es zulässt, kann ich an einem Mittwoch nach zwei Stunden sagen, dass ich heute einfach Mal meine Ruhe will. Das muss ich mir nicht Mal genehmigen lassen. Aber es ist höflich dem Teamleiter bescheid zu sagen, dass er sich keinen Kopf machen muss, weil ich die Frist an Freitag nicht reißen werde.
Und wenn ihr euch nicht sicher seid, ob der Job noch der richtige für euch ist, ein persönlicher Tipp: Kündigung schreiben, nicht abschicken und einfach Mal so arbeiten wie ihr euch wohlfühlt. Und sprecht euren Manager an und fragt: "was können wir tun, mir ist das zu viel". Ihr werdet vielleicht überrascht sein, wie gut dass läuft. Und wenn's nicht läuft: der nächste Termin zur Kündigung kann ja wieder genutzt werden. Viele gute Leute kündigen, ohne einmal auch nur anzumerken, dass sie eigentlich überlastet sind.
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