Karriere machen, aber "Keine Freizeit und Freunde"?
Ich lese hier immer wieder davon, dass sich Menschen gegen "Karriere" entschliessen, weil man dann ja keine Zeit mehr für Freunde und Hobbies hätte.
Dieses Schwarz/Weiss-Denken finde ich etwas kurzsichtig, es erklärt sich vielleicht aus der Sichtweise eines Berufseinsteigers, der die Berufslebenspyramide derzeit aus der Erdgeschossperspektive betrachtet.
Zudem würde ich auch nicht vollständig ausschliessen, dass es sich in einzelnen Fallen um die Fuchs/Trauben-Parabel handeln könne ("Ich habe mir fest vorgenommen, kein Dax-Vorstand zu werden, deswegen habe ich auch ganz bewusst an der FH Eschborn 'studiert', ja genau").
Dass der Vorstand eines Dax-Unternehmens nicht um 17 Uhr mit seinen Kumpels auf dem Bolzplatz ist, erklärt sich von selbst; aber diese Personengruppe ist ja nun auch nur ein sehr kleiner Teil der "Karrieremachenden". Jemand, der 100t EUR verdient, ist bei einem Großunternehmen oft nicht einmal irgendwie "Management", sondern auch ein sehr gehobener Referent.
In einem anderen Thread ging es um die etwas kindlich-naive Frage, wer, boah ey, hier mehr als HUNDERTTAUSEND Euro verdiene. Ein paar tun es, und in der realen Welt tun dies noch viel mehr Leute, ohne dass diese deswegen jeden Morgen Champagner und Hummer frühstücken, es ist ein durchaus gutes Gehalt, aber noch ganz lange nicht Ende der Fahnenstange.
Am besten finde ich immer noch unseren DAX-EK, ich zitiere:
"Es sind keine 3,x Durchschnittsabsolventen von Feld-Wald-und-Wiesen-Institutionen, die ab dem ersten Arbeitstag ohne jede Ambition ihren 9-5-Zurücklehntraumjob ausüben und am Freitag um 12h ins Wochenende rauschen".
Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen - es ist nicht so schwer, Gehaltssteigerungen zu bekommen, man muss eigentlich nur 1. einigermaßen konzentriert(!) arbeiten und wissen, was die eigenen Zielvorgaben UND die des Chefs sind (den sollte man glücklich machen) und 2. sich einigermaßen anständig benehmen und aussehen.
Ich jedenfalls verdiene mehr als die genannte Summe, und ich vermute dies bei meinen Freunden auch. Schauen wir also mal:
-
einer ist bei McK, den sehe ich naturgemäß nicht so häufig, aber wenn wir uns treffen, ist es immer lustig - ein ausgesprochen kluger Kopf, dessen Gedanken immer ein wenig schneller sind als der Rest am Tisch. Ich treffe mich 1x im Monat mit ihm, öfter kriegt er es nicht hin - soll ich ihm deswegen die Freundschaft kündigen?
-
einer ist niedergelassener Zahnarzt mit Frau und Baby, wir treffen die 1x in 2 Wochen.
-
einer lebt in London, arbeitet dort bei einem bekannten Wirtschaftsmagazin. Den treffe ich alle 3 Monate, hier oder bei ihm; ich kann es mir leisten, einfach mal hinzufliegen und dort mit ihm auszugehen, er kennt dort immer die neuesten Bars und Restaurants.
-
einer stammt noch aus dem ersten Job, seine "Karriere" verlief entgegengesetzt zu meiner, er kommt mit Frau und 2 Kindern gerade über die Runden und hat fast kein Geld über. Ich treffe mich 1x im Monat mit ihm und lade ihn gerne zum Essen ein, er hat den besten Humor und wir schaffen es, uns gegenseitig aus unseren jeweiligen "Tiefs" zu holen.
- zwei sind irgendwie so Referenten bei größeren Unternehmen, auch wir sehen uns 1x im Monat, einer geht gerade durch eine Trennung und ich versuche ihn zu stützen, einer hat beruflich Trouble und wir reden viel darüber. Beide treffe ich meist nicht später als 19h.
Dann gibt es noch einen lockeren Bekanntenkreis, der sich durch Uni-Alumni- und KPMG-Alumni-Kreise überschneidet und da finden im Jahr 3-4 Events statt, zu denen alle zusammenkommen.
Ich bin auch gerne 2-3 Abende mit meiner Partnerin alleine zu hause, und gelegentlich brauche ich auch ein paar Stunden Stille und Alleinsein (Moutainbike oder Bett).
Manche Hobbies erschliessen sich einem finanziell ja auch erst, nachdem man ein wenig Karriere gemacht hat.
antworten