Hallo zusammen,

ich hoffe der eine oder andere mit längerer Berufserfahrung kann mir vielleicht weiterhelfen.

Zu mir: Ich bin vor gut 2 Jahren auf eine Entry-Level Stelle im Konzern gewechselt. Insgesamt 4 Jahre BE.
Nach der Einarbeitungsphase kam mein neuer Chef auf mich zu und bot mir eine zukünftige Beförderung in die Projektverantwortung mit entsprechender Gehaltserhöhung an. Habe das Angebot angenommen und die Stelle dann vor kurzem übernommen.

Jetzt zu meiner eigentlichen Frage… Mein Chef ist ein extremer Micromanager und Workaholic. Bisher konnte ich halbwegs damit leben, weil er den Hut auf hatte und ich zugearbeitet habe.
Nun ist es aber so, dass ich offiziell die Projektverantwortung trage. Dennoch möchte er bei allen Terminen dabei sein und reißt das Gespräch dann häufig an sich, will bei allen Emails in CC gesetzt werden, bei der Ausarbeitung von Unterlagen involviert werden, usw. Er trifft sogar ohne mich Absprachen und Entscheidungen mit Dritten.
Ich verstehe nicht, weshalb er mich unbedingt befördern wollte, nur damit wir jetzt genauso weiter arbeiten wie bisher.

Jetzt gibt es aus meiner Sicht 2 Optionen. Option 1: Ich nehme es so hin wie es ist. Erledige die gleiche Arbeit für deutlich mehr Geld und habe einen schöneren Titel.
Option 2: Ich suche das Gespräch. Hier sehe ich großes Konfliktpotenzial und bin mir nicht sicher ob die Erfolgschancen das rechtfertigen.

Habt ihr solche Situation bereits erlebt? Wie seid ihr damit umgegangen?

Noch bist Du ja auskunftsgemäß relativ neu in der Position „mit Projektverantwortung“. Würde mich an Deiner Stelle ca. 3-4 Monate per Option 1 weiter in die Projektleitung einarbeiten (lassen), bis Du weißt, wie‘s Dein Chef selber machen würde bzw. wie er‘s von Dir erwartet.

Idealerweise wächst das Vertrauen und nimmt er sich allmählich immer mehr zurück und lässt Dich machen, und nach und nach erledigt sich die Problematik fast wie von selbst.

Ansonsten wie in Option 2 ein freundliches wechselseitiges Feedback-Gespräch über Verbesserungspotentiale der Zusammenarbeit suchen.

P.S.: versuche unbedingt möglichst gut zu verstehen, warum er sich so verhält. Du schilderst die Problematik so, als läge es eher nur an der Persönlichkeit des Chefs („Workaholic“, „Micromanager“, …). Andererseits „wollte er Dich unbedingt befördern“.

Könnte es teilweise aber auch daran liegen, dass Du Projektverantwortung/-leitung und fachliche Mitarbeiterführung etc. tatsächlich erst mal lernen musst und er Dir deshalb genau auf die Finger schauen möchte/muss, damit bei einem vermutlich für ihn selbst und seine Karriere wichtigen Projekt nichts aus dem Ruder läuft?

Oder aber andere Möglichkeit: alles läuft super in Deinem Projekt, uns aus seiner Sicht wird er entbehrlich/Du zu einem Konkurrenten für ihn?

Vielleicht aber auch meint er es wirklich gut mit Dir, vertraut Dir auch, aber merkt gar nicht, wie sein Führungsverhalten bei anderen aufgenommen wird?

P.P.S.: Generell rate ich einer derartigen Problematik zu professioneller Gelassenheit. Der ganz normale Wahnsinn im beruflichen Alltag. Es gibt Schlimmeres.

Hi,
ich bin in fast der gleichen Situation wie du es beschreibst!!!
Bei mir lag das Konfliktpotential darin, dass er auf erfolgreich abgeschlossene Projekte extrem neidisch und missgünstig reagiert. Dazu muss ich aber auch sagen, dass die Projekte nur die gewünschten Ideen von Ihm selber sind, und ich während der Umsetzung und nach dem Abschluss die Projekte immer als Teamleistung kommuniziere (mich selbst also kleinrede).

Mittlerweile baue ich in die Projekte bewusst offensichtliche Fehler ein, die mein Chef dann öffentlich kritisieren kann. Dadurch entspannt sich die Situation wieder.

Ich will hier einfach nur noch raus.

2 Jahre 1 dann wechseln.

Danke für eure Rückmeldungen.

Ich habe das Gefühl, mein Chef sieht sich selbst als jemand an, der junge Mitarbeiter aufbaut und Aufgaben ganz uneitel abgeben kann. Wenn es dann aber soweit ist, bringt er es dann doch nicht über sich.

Mit einem gekränkten Ego habe ich bei meinem Chef auch immer mal wieder zu kämpfen. Wenn z.B. Fragen unserer Regionalleitung direkt an mich gerichtet werden… ohje, da ist die Stimmung im Keller.

Ich entnehme euren Antworten, dass hinter seinem Verhalten vielleicht keine bzw. nicht nur böse Absichten stehen. Muss ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen… eventuell sehe ich das gerade auch zu negativ.

PS: Es steht bereits die nächste Beförderung im Raum. Diesmal eine Nachfolgeregelung zur Übernahme seines Teams, wenn er in 2-4 Jahren in Rente geht. Auch hier kommt die Initiative von ihm.
Also sollte sich das Thema spätestens in 2-4 Jahren von alleine erledigen. 2-4 Jahre sind allerdings auch eine lange Zeit.

Ich würde einfach mitspielen. Sieh es mal so. Dein Chef sieht in dir scheinbar Potential. Sonst hätte er dich wohl kaum zweimal befördert. Das ist eine solide Basis.

Du bist noch sehr frisch und er hat deutlich mehr Erfahrung und arbeitet mit dir zusammen und dich damit ein. Das ist wieder ein Pluspunkt. Stell dir vor, er würde dich alles alleine machen lassen und du würdest nicht liefern. Dann hast du sicherlich mehr Freiräume aber deine Performance wäre ggf. Mist.

Spiel das ganze noch ein paar Monate mit, saug alles auf, was er dir an Erfahrung mitgibt und zeig dich lernbereit gegenüber seiner Erfahrung. Dann wird er dir schon irgendwann mehr Leine geben. Falls nicht, muss man weitersehen. Von einer bösen Absicht erkenne ich da rein gar nichts. Lern dich unterzuordnen und schätz die Position wert, dass du noch nicht komplett alleine die Verantwortung trägst. Das kommt noch früh genug.

Im übrigen würde ich das genau so machen und so habe ich es häufig erlebt. Jemanden mit Potential fördern, dann mitlaufen lassen, der kann mir über die Schulter schauen und die Abläufe über Monate erlernen. Und anschließend ziehe ich mich zurück und erwarte dann natürlich eine dementsprechende Leistung. Alles ganz normale Abläufe.

Ich kann den TE überhaupt nicht nachvollziehen. Dein Chef ist kurz vor der Rente wie du selber geschildert hast, er will einfach noch in seinen letzten Jahren alles raus holen was noch in ihm steckt, hat aber auch mit dem anderen Auge schon den Blick auf die Rente. Er handelt in meinen Augen absolut top, bereitet den fließenden Übergang für seinen Nachfolger (dir) vor und führt ihn an der Hand.

Du solltest schon mehr in die Arbeit reinstecken im Bezug auf Verantwortung etc aber auch wissen dass er immer noch die shots callen wird auch wenn du offiziell die Projektverantwortung hast. Ich würde empfehlen Eigeninitiative zu zeigen und deinem Chef bei Entscheidungen mitteilen wie du gehandelt hättest und wenn es ihm gefällt wird er auch schon vor der Rente dich vollkommen leiten lassen.

Hier geht es um einen Chef, der kurz vor der Rente ist, und wie der TO beschreibt „ Entry-Level Stelle im Konzern“ „Managed“

Was will man denn von dem noch lernen, wenn der es selber nicht weiter geschafft hat. Außerdem sprach der TO bereits von 2 BE an der Tätigkeit, was soll der jetzt noch lernen was er sich bis jetzt nicht abgeschaut hat.

Es gibt eben manchmal weniger kompetente Chefs. Und wenn da ein smarter Jungspund kommt, der keine Probleme mit der Abarbeitung der Aufgaben hat, stellt das für den Chef eine Gefahr dar. Er hat sich ja in seinem fast Rentenalter bis auf den Chefposten der „ Entry-Level Stelle im Konzern“ „hochgearbeitet“, und versucht jetzt die Zeit bis zur Rente noch zu erreichen. Da soll ihm bitte nichts mehr im Wege stehen.

Als Ratschlag kann ich nur aus meiner Erfahrung sagen: vorsichtig sein, empathisch sein, und beim nächsten mal den Chef vorher prüfen. Talent bricht sich Bahn.

WiWi Gast schrieb am 19.08.2023:

Ich würde einfach mitspielen. Sieh es mal so. Dein Chef sieht in dir scheinbar Potential. Sonst hätte er dich wohl kaum zweimal befördert. Das ist eine solide Basis.

Du bist noch sehr frisch und er hat deutlich mehr Erfahrung und arbeitet mit dir zusammen und dich damit ein. Das ist wieder ein Pluspunkt. Stell dir vor, er würde dich alles alleine machen lassen und du würdest nicht liefern. Dann hast du sicherlich mehr Freiräume aber deine Performance wäre ggf. Mist.

Spiel das ganze noch ein paar Monate mit, saug alles auf, was er dir an Erfahrung mitgibt und zeig dich lernbereit gegenüber seiner Erfahrung. Dann wird er dir schon irgendwann mehr Leine geben. Falls nicht, muss man weitersehen. Von einer bösen Absicht erkenne ich da rein gar nichts. Lern dich unterzuordnen und schätz die Position wert, dass du noch nicht komplett alleine die Verantwortung trägst. Das kommt noch früh genug.

Im übrigen würde ich das genau so machen und so habe ich es häufig erlebt. Jemanden mit Potential fördern, dann mitlaufen lassen, der kann mir über die Schulter schauen und die Abläufe über Monate erlernen. Und anschließend ziehe ich mich zurück und erwarte dann natürlich eine dementsprechende Leistung. Alles ganz normale Abläufe.

Klingt für mich auch so, dass er viel Potenzial, aber noch nicht die erwartete Performance sieht, und dass das für ihn aktuell noch ok ist dich so einzuarbeiten. Ich würde empfehlen seinen Weg zu lernen, hier und da deine Akzente zu setzen/deinen Fortschritt zu zeigen und der Rest sollte über die nächsten Jahre von selbst kommen. Bzw. wie du selbst schon erkannt hast, wird ja der Zeitpunkt kommen, dass du selbsständig agieren wirst.

Klingt für mich nach einem vollkommen normalen Verhalten bzw. einer normalen Übergangsphase. Das Einzige was in meinen Augen Konfliktpotenzial besitzt sind die Absprachen mit Dritten ohne dein Mitwissen. In meinen Augen untergräbt das deine Autorität.

Da ist jetzt aber deine Einschätzung gefragt. Entstehen diese Absprachen mit Dritten beim zufälligen Treffen auf dem Gang oder in der Kaffeeküche dann ist das kein Stress. Macht er Termine ohne dich aus, die in deinem Verantwortungsbereich liegen, dann würde ich es ansprechen.