"Ich dachte dies würde sich bei der jetzigen Tätigkeit als Vorstandsassi so wiederholen, das war wohl falsch gedacht."
Vorstandsassistent. Ganz ehrlich - als ich Deinen Eröffnungsbeitrag gelesen habe, habe ich an genau diese Position gedacht, deshalb schrieb ich auch von Perspektiven, dem dafür zu zahlenden Preis sowie die nicht minder unangenehme Anschlussaufgabe.
"Desweiteren haben mich natürlich die Annehmlichkeiten einer solchen Tätigkeit angezogen, die Bezahlung ist angemessen, ich habe ein Einzelbüro, bekomme alle Informationen hautnah mit etc. Unterschätzt habe ich hier schlicht den "Preis" den ich dafür in Lebenszeit, Autonomität und Nerven leisten muss."
Du durchläufst etwas, das vor Dir schon viele durchlaufen haben. Ich kenne in meinem persönlichen Umfeld mehrere Personen, die diese Funktion innehatten, sowie einige, die eine solche derzeit innehaben. Es ist für jeden einzelnen aus diesem Personenkreis so, wie Du es beschreibst. Der Grund ist weniger die Belastung durch die Arbeit selbst (diese ist zwar hart, aber bei näherem Hinsehen doch irgendwie zu schaffen), sondern eher die extreme Abweichung von den Erwartungen ("das soll ein Aufstieg sein!?") sowie der totale Verlust der Selbstbestimmtheit ("so brutal hätte ich mir das nicht vorgestellt"). Ich kann Dir aber auch sagen, dass ein jeder von diesen nach ca. einem harten Jahr seinen ganz persönlichen Modus gefunden hat, in dem er damit umgeht. Am Ende leidet das private Umfeld mehr als der Betroffene selbst. Der Mensch ist härter, als es ihm in diesem Forum von vielen zugestanden wird.
"Wenn ich den eingeschlagenen Weg weitegehe, wird sich an den Umständen nichts ändern, weil auch fortfolgende Positionen keine geringeren Arbeitsleistungen beinhalten."
Je nachdem. Vorstandsassistenten werden nach diesem Einsatz zwar oft auf interessanten Positionen platziert (nicht selten verbunden mit einem Aufstieg), aber fast immer auf solche, für die man auf anderem Weg niemanden gefunden hätte. Der Grund ist, dass es anderen Angestellten, die bereits diesen Level erreicht haben, zu gut geht, während diejenigen, welche ihn noch nicht erreicht haben, nicht das Vertrauen der Vorstandsetage genießen. Bist Du ein sehr guter Vorstandsassistent, kannst Du also davon ausgehen, im Anschluss eine gut bezahlte Funktion als Leiter eines Himmelfahrtskommandos angeboten zu bekommen.
Du kannst aber auch darauf hinarbeiten, im Anschluss an die Tätigkeit als Assistent nicht in eine "Assistent 2.0" Position weitergereicht zu werden. Du kannst Deinem Vorgesetzten deutlich sagen, dass Du für eine solche Anschlussaufgabe nicht zur Verfügung stehen wirst, weil Du danach zurück in eine Linien-(Führungs)aufgabe mit hinreichend Abstand zur Chefetage wechseln willst. Dein Chef kann davon profitieren, denn auch in Linienaufgaben braucht die Firma Mitarbeiter, die durch eine Zeit im Vorstandsbüro "auf Linie gebracht" wurden.
Im Gegenzug musst Du dich aber auch aktiv um Alternativen bemühen, sonst spielt die Zeit am Ende gegen Dich - denn im schlimmsten Fall kann es Dir passieren, dass Du einfach auf der Assistentenposition belassen wirst, was Du aber nicht willst, so dass Du dann doch einknickst und Dich irgendwo hinplatzieren lässt. Das hat viel damit zu tun, ob Du in der Assistentenzeit ein persönliches Netzwerk von Fürsprechern aufbauen kannt.
"Aber wie würde dann ein Exit aussehen? Mit jedem Jahr Berufserfahrung die ich bisher gesammelt habe, gewöhnte ich mich natürlich schnell an die Annehmlichkeiten, das Gehalt..."
Weshalb muss das ein Exit aus dem Unternehmen heraus sein? Ist die Firma nicht groß genug, dass Du dich nach 2-3 Jahren intern um eine andere Position bemühen kannst?
"Man wird mir diesen Schritt dann wohl immer vorhalten in deutschen Personalabteilungen..."
Nein. Es ist unwahrscheinlich, dass Du überhaupt nochmal Deinen Lebenslauf in einer Personalabteilung erklären musst. Und wenn, dann sieht das hinterher immer aus wie ein gerader roter Faden. Du hast die Assistentenposition nur angenommen, um danach strategisches Denken für Deine Linienaufgabe gelernt zu haben.
Mein Fazit für Dich:
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Werde dir nochmal der Erwartungen bewusst, die Du an diese Stelle hattest (positive wie negative!) und vergleiche, welche Erwartung eingetreten ist und welche nicht. Besprich das mit einer Person Deines Vertrauens.
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Male Dir einen "best case" aus, wie es nach einer erfolgreichen Position als Vorstandsassistent für Dich weiter gehen kann. Wann geht es weiter, wohin geht es weiter, was erwartest Du von der nächten Position? Was muss passieren, damit der best case eintritt?
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Dasselbe wie in 2, nur für den worst case. Was muss passieren, damit der worst case eintritt? Wie kannst Du den worst case verhindern?
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Sei Dir dessen bewusst, dass diese Zeit irgendwann ihr Ende haben wird und dass Du danach auf eine harte, aber lehrreiche, wertvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit zurückblicken kannst, die Dir Karriereperspektiven eröffnet, die Du ohne diese Stelle nicht gehabt hättest.
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Du musst selbst entscheiden, wie lange Du das durchhalten willst. Es hängt aber wirklich allein vom Willen ab, denn wenn der Wille da ist, dann wird sich auch ein Weg finden. Man glaubt, man stirbt. Man stirbt aber nicht, nur weil man bis 23 Uhr in einem Büro sitzen muss. Man ist lediglich ziemlich schlecht drauf und ärgert sich.
- Nimm in dieser Zeit so viele Gehaltserhöhungen mit, wie möglich. Das schafft Dir auch für eine "normale" Tätigkeit im Anschluss einen guten Sockel, von dem Du auch hinterher noch zehren kannst.
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