WiWi Gast schrieb am 25.05.2023:
Hast du allgemein im IT-Bereich (…) eine Einschätzung ob man dort als Freiberufler auch zu 50% tätig sein kann? (…) Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten nur an 80%-100% Kapa interessiert sind
Deine Beobachtung kann ich im Großen und Ganzen bestätigen.
Insbesondere im Bereich des "Doings" (also Implementierung/Development, aber auch Architektur, Requirements Engineering, DevOps, Admin, Product Owner, Scrum Master…) wird in aller Regel mindestens 80%, besser 100%, nachgefragt.
Es gibt einige Bereiche, in denen die Nachfrage nicht so konsistent zu 100% zuneigt: Projektmanagement, Coaching, Controlling, Governance usw. Davon ist zahlenmäßig das PM noch am relevantesten, aber selbst da wird meist Volleinsatz präferiert.
Allerdings beobachte ich in den letzten Jahren schon eine leichte Tendenz hin zu Einsätzen in Teilzeit, leider teils mit unglücklichen Begleiterscheinungen:
Einerseits erwarten die Auftraggeber implizit oftmals eine primäre Verfügbarkeit, d.h. den Erstzugriff auf mögliche Regeltermine, oft auch täglich (etwa für Scrum-Daylies). Impliziert wird oftmals, dass man aufgrund der Teilzeittätigkeit ja flexibel sei. Ich empfehle hier dringend vorab eine Lösung auf Basis von Wochentagen festzulegen (also etwa Mo-Mi für 60%) um Diskussionen während des Einsatzes zu minimieren.
Andererseits finden sich unter den potenziellen Auftraggebern verstärkt "Sparbrötchen", welche einfach aus Kostengründen eine Position nicht voll besetzen. Dem Budgetdruck geschuldet, sind diese Kunden dann auch noch beim Stundensatz eher zickig, und sehen es gelegentlich sogar als Entgegenkommen ihrerseits an, dass man Teilzeit tätig sein "dürfe". So drohen also wahlweise Überlastung (weil zu wenig Kapazität beauftragt wurde) oder relative Unterbezahlung (weil Teilzeit-Malus) oder gar beides.
Trotz meiner pessimistischen Worte gibt es aber schon Kollegen am Markt, die solche Aufträge erfolgreich bedienen, meist allerdings nur temporär. Jene, die ich kennengelernt habe, wirkten auch zufrieden, hatten aber große Probleme mit der Beschaffung passgenauer Anschlussbeauftragungen. Am häufigsten habe ich dies noch bei Projekten im staatlichen oder staatsnahen Umfeld beobachtet (Behörden, Bahn, Post, öffentliche Stiftungen, Krankenhäuser…) , aber leider ist meine Stichprobe zu klein, um so eine Aussage mit signifikanter Konfidenz treffen zu können.
Ein positiver Nebenaspekt ist dabei oftmals übrigens die Reduzierung des Risikos einer Einstufung als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger (oder gar Scheinselbständiger).
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