Offenbar muss man sich ja auch spezialisieren (TP, M&A, USt.) und wird das nicht nach einer Weile langweilig?
Ich würde sagen, dass nach einigen Jahren in der Steuerberatung die Herausforderung sowieso immer eher in der internen und externen Kommunikation liegen wird und nicht mehr in der fachlichen Bearbeitung.
Ich war viele Jahre im Bereich KMU tätig und hatte wirklich ein sehr breites und abwechsungsreiches Aufgabengebiet:
- Buchhaltung
- Jahresabschluss
- Körperschaftsteuer
- Gewerbesteuer
- Umsatzsteuer
- Einkommensteuer
- Lohnsteuer
- Große Vereine / Non-Profit / Crowd- Funding
- Einnahmen-Überschussrechnungen
- private Vermögensverwaltungen, Fonds, GmbH & Co KGs
- UGs, GmbHs, AGs, SEs, Limited aus diversen Ländern
- reine Steuerbilanzen für Arztsozietäten
- diverse Branchen mit unterschiedlichen Kontenrahmen und sogar speziellen Rechnungslegeungsvorschriften
- Vertiefte Kenntnisse in den Buchhaltungseinstellungen von Datev
Aber auch im Bereich KMU wiederholen sich dieselben Fragestellungen und Mandantentypen immer wieder. Es dauert halt nur länger als bei einer spezialisierten Big4-Service-Line (rechne mit 5 Jahren statt 5 Monaten ;=)).
Und irgendwann ist das alles Routine. Irgendwann war ich von neuen Themen auch nur noch genervt z. B. wenn meine Kanzlei einen Crypto-Händler oder eine Amazon-Händler aufgenommen hat und wir im Bereich Crypto und E-Commerce nicht wirklich Know-How hatten und man sich wegen einem einzigen Fall aufwendig einlesen und einarbeiten musste. Natürlich konnten die Stunden dann nicht alle weiterberechnet werden.
Auch bei einer bunt gemischten Wald-und-Wiesen-Kanzlei wirst du irgendwann in Schwerpunkte reinrutschen, weil manche Themen komplexer sind und sich andere nicht einfach mal schnell einarbeiten können. Man wird dann immer bei bestimmten Arten von Aufträgen auf dich zukommen.
Schafft man dann noch den Wechsel in eine Kanzlei die Tax Compliance für EU, Freiberufler und noch ein paar PesGes. und KapGes. machen?
Die Frage sollte doch eher sein, wie schaffen solche Kanzleien es überhaupt noch Personal zu bekommen? Es gibt seit vielen Jahrzehnten einen Trend weg von der Ausbildung hin zum Studium. Studienabsolventen werden schon während des Studiums regelrecht von den Big4 umgarnt. Wer es nicht zu den Big4 schafft, geht zu den Next10. Kleinere Kanzleien haben seit einigen Jahren eigentlich gar keine Bewerberbasis mehr, auf die sie zugreifen können, da die duale Ausbildung auf dem absteigenden Ast ist. Da werden dann Leute aus dem Ausland umgeschult oder es werden Quereinsteiger genommen. Auch auf Ebene der Berufsträger wird nach meinem Eindruck einfach jeder genommen. Die sind oftmals gar keine Steuerberater gewesen, sondern WPs oder schlechte Juristen, die eine Nische in der Steuerberatung für KMU für sich gesehen haben. Oftmals werden die Stellen gar nicht mehr besetzt und Mandanten wird gekündigt.
Den Einstieg wirst du schon schaffen, allerdings sollte dir klar sein, dass du dort wieder bei Null anfängst. Denn die großen Beratungsgesellschaften arbeiten sehr arbeitsteilig und jeder Mitarbeiter kann nur einen kleinen Teil des Spektrums.
Also, wo gehen denn all die SC, Manager oder Senior Manager aus dem Tax Bereich hin? Soviele Kunden kann es ja auch nicht geben, die sich einen eigenen USt-Rechtler, M&A Taxler, TP Spezialisten leisten zum sechsstelligen Gehalt, wenn nicht gerade grösserer Konzern.
Hier muss man bedenken, dass die Big4 in der öffentlichen Wahrnehmung sehr viel mehr Bedeutung einnehmen, als es ihrem tatsächlicher Anteil als Arbeitgeber entspricht. Auch die Großunternehmen spielen in der öffentlichen Wahrnehmung eine viel größere Rolle als es ihre tatsächlich Bedeutung auf dem Arbeitsmarkt entspricht. In Deutschland arbeitet nur jeder Zehnte in einem Großunternehmen. Und vielleicht nur jeder zehnte Steuerberater hat bei den Big4 gearbeitet. Von daher halte ich schon für wahrscheinlich, dass sich die Zahlen (Big4 Exit-Willige zu Exit-Möglichkeiten) ungefähr die Waage halten.
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