WiWi Gast schrieb am 20.05.2021:
Zu 1: Du kannst Screenshots machen oder eben den Inhalt des Gesprächs in einem Memo runterschreiben und das Memo dann einmal an den Gesprächspartner schicken und um eine Bestätigung bitten das alles so passt.
Ok stimme ich dir zu, im PUA ist aber nirgendwo von solchen Bestätigungen die Rede - das heißt ein Großteil der Kommunikation könnte leicht dokumentiert abgelaufen sein.
Zu 2: Nur weil laut Forensiker irgendwas nicht passt muss man nicht das Testat einschränken wenn man hinreichend sicher ist das es passt. In dem Jahresabschluss stand deshalb nur, dass die Vorwürfe der Bilanzfälschung weder komplett wiederlegt noch bestätigt werden können. Dasselbe stand übrigens auch im KPMG-Bericht.
Ich weiß nicht, ob Du das WP Examen bereits abgelegt hast, ich bin aber damals davon ausgegangen, dass wenn man nicht ausreichend Unterlagen für ein Prüfungsergebnis vorliegt, ein sogenanntes Prüfungshemmnis vorliegt. Im zweiten Schritt kommt man dann zu dem Ergebnis ob das alles wesentlich ist oder den Abschluss als Ganzen halt nicht falsch macht, wofür sich EY wohl entschieden hat. Aber du kannst gerade nicht als Abschlussprüfer sagen: zu dem Sachverhalt kommen wir zu keinem positiven oder keinem negativen Ergebnis du musst es würdigen und in deine Gesamt-Bewertung einfließen lassen.
Zu 3: Hier wirfst du mehrere Sachen in einen Topf, wo hat EY den JAP den selber geprüft? Eine forensische Prüfung ist keine Jahresabschlussprüfung, in wieweit das Projekt "Ring" ging und wie es genau gestoppt wurde ging für mich bisher nicht aus der Bericherstattung klar hervor.
Da hast du mich falsch verstanden, das Es ging nicht um die KPMG Sonderprüfung sondern die Untersuchung von EY die separat zur Jahresabschlussprüfung durch den Vorstand beauftragt wurde - hier hatte EY den Spezialisten eingesetzt und gleichzeitig den Mandatsverantwortlichen Abschlussprüfer im Forensikteam - wahrscheinlich da dieser ja den Laden schon kennt und weshalb auf diese Weise höhere Prüfungssicherheit erzielt werden sollt. Jetzt ist man aber mE zurecht dem Vorwurf ausgesetzt, dass diese Abschlussprüfer innerhalb des Sonderprojekts keine Feststellungen haben wollte, die ihn persönlich in einem schlechten Licht erscheinen lassen würden.
Zu 4: Warum soll so ein "Overruling" kritisch sein? Irgendwer muss entscheiden und dann eben auch die Verantwortung tragen, in keinem Konzern kann jeder MA alleine entscheiden und wenn der Chef das eben anders sieht dann wird das nunmal so gemacht. Da kann der Angestellte auch nicht sagen "Nö, mach ich nicht".
Ein WP ist eben kein normaler Angestellter in einem Konzern, das ist elementares Berufsrecht das dieser frei und eigenständig entscheiden muss. Klar kann er sich fachlichen Rat (Kosultation) einholen, aber dieser Rat kann ihn nicht blockieren. Wenn er also der Meinung ist, eine Geldwäsche Verdachtsanzeige ist zu stellen, muss das gemacht werden und es darf nicht verhindert werden, weil er keine Freigabe dafür bekommt, da es dem Mandatsverhältnis und der Geschäftsbeziehung zu Wirecard schaden könnte.
Zu 5: In der WP GLAUBST du immer erstmal dass dein Gegenüber nicht alle Hebel in Bewegung setzt um seine Bilanz zu schönen, es ist nicht Aufgabe eines WP Bilanzbetrug aufzudecken, das ist primär Aufgabe der Staatsanwaltschaft.
Vielleicht hast du schon einmal vom Risikoorientierten Prüfungsansatz gehört, das heißt natürlich ist die JAP nicht auf die Aufdeckung von Fraud und dolosen Handlungen ausgelegt, aber der WP muss jedes Jahr eine Risikoeinschätzung vornehmen und auch diese während der Prüfung laufend aktualisieren. Dafür gibt es Checklisten.
Wenn es jetzt anonyme Hinweise gibt, dazu negative Presseberichte und ein Sonderprojekt deine Forensikerkollegen an dem du selbst teilgenommen hast und wo dein Kollege viele offene Fragen hat zu dem Zeitpunkt als es vom Vorstand gestoppt wird, dann musst du überlegen ob du deine Risikoeinschätzung aktualisieren musst. Die Einschätzung betrifft insbesondere die Integrität des Managements um möglichen Management Fraud gerecht zu werden und deine Prüfungshandlungen entsprechend zu planen. Du kannst bei diesen vorliegenden Anzeichen als nicht mehr behaupten, du wärst kalt erwischt worden und hättest damit nicht rechnen müssen das es nur eine Jahresabschlussprüfung mit einem anderen Ziel ist, wie du es gerade darstellst. Das greift dann eben nicht mehr. In diesen Fällen musst du die kritische Grundhaltung bei erhaltenen Nachweisen deutlich erhöhen und zusätzliche Prüfungshandlungen durchführen oder bspw. Überraschende Elemente einbauen, die von dir genannten Testkäufe sind geeignet, allerdings hat die Wirecard laut PAU dafür die Kreditkarten gestellt und die Transaktionen selbst vorgeschlagen, da der WP seine eigene Karten auf den dubiosen Seiten (zurecht) nicht nutzen wollte. Hier war die Idee also sehr gut, die Umsetzung im Ergebnis aber leider so, dass man einen Betrug wieder nicht ausschließen konnte. Das sind Anfänger Fehler und das darf solch erfahrenen Leuten nicht passieren und wirf ein ganz schlechtes Licht auf den gesamten Berufsstand.
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