WiWi Gast schrieb am 20.05.2021:
Würden den Thread gerne nochmal pushen da ich selbst kurz vor dem Einstieg stehe.
Vielleicht kann hier noch mal jemand von seinem Arbeitsalltag, Branche, Gehaltsaufteilung berichten als auch ein paar Tipps für Berufseinsteiger loslassen :)
Kann das Alles auf jeden Fall bestätigen. Ich bin letztendlich nach mehreren Jahren in der Projektierung in den Außendienst gewechselt und nach 3 Jahren wieder zurück in die Projektierung. Dienstwagen, Homeoffice, Gehalt etc. alles schön und gut, aber mich hat es irgendwann einfach so genervt die Kunden am Wochenende oder oder auch im Urlaub 24h bemuttern zu müssen. Dann wird man auch immer an nackten Zahlen gemessen und muss sich ständig rechtfertigen, wenn mal etwas nicht so läuft wie geplant. Durch die heutigen Systeme und Prozesse ist man auch bis auf drei Nachkommastellen transparent und muss jeden Furz in irgendeinem Report festhalten. Ich war nicht unerfolgreich oder besonders unglücklich, letztendlich war ich einfach nur furchtbar genervt und hab dann die Reißleine gezogen.
Für den Außendienst muss man wirklich geschaffen sein. Man muss einfach Lust auf das ganze Umfeld haben. Diese Lust ist mir nach 3 Jahren abhanden gekommen, dabei sah der Außendienst ursprünglich von Außen deutlich attraktiver aus. Die Erfahrung hat mich aber auf jeden Fall weiter gebracht.
PS: Branche Maschinen- und Anlagenbau mit Schwerpunkt Antriebstechnik. Stark beratungslastige Tätigkeit und auf jeden Fall mehr Problemlöser als Verkäufer.
Die Erfahrungen zum Thema Reporting teile ich. Bin inzwischen 19 Jahre in unterschiedlichen Sales-Positionen, am Ende aber immer unterm Strich Außendienstler. Der Reiz an der Position war für mich damals die Möglichkeit, viel Geld verdienen zu können, selbständige Arbeit im Gebiet und relativ freie Zeiteinteilung (wenn die Ergebnisse passen).
Man kann immer noch viel Geld verdienen, speziell im Bereich IT. Ich liege persönlich bei knapp 150k (plus Auto, bAv usw.), habe in meinem Umfeld aber auch Vertriebler, die weit über 200k verdienen. Ohne Personalverantwortung. So viel zum Positiven......
Der Zeitaufwand war nie gering, habe gerade am Anfang 60-70 Stunden gearbeitet und auch im Urlaub oft in der Firma angerufen und Kundengespräche geführt. Das mache ich heute nicht mehr. Urlaub ist Urlaub, im Normalfall. Ich habe eine Vertretung und bin in Notfällen über meine Privatnummer erreichbar. Das wars dann auch. Die Welt dreht sich weiter und weder werde ich in den 2 Wochen alle Kunden verlieren, noch 3 Großprojekte mit Millionenumsätzen plötzlich in der Pipeline haben. Vertrieb bedeutet aber auf jeden Fall erhöhte Erreichbarkeit. Wenn ich 2 Tage Urlaub habe und ohnehin daheim bleibe, schaue ich schon hin und wieder in die Mails, speziell wenn ein Projekt kurz vor dem Abschluss steht. Aber die Zeit investiere ich dann gern, zahlt sich am Ende ja auch aus ;)
Freie Zeiteinteilung bzw. Flexibilität sind zu einem Knackpunkt geworden. Internationale Kunden, dadurch Kommunikation in verschiedenen Zeitzonen erfordern teils sehr frühe oder sehr späte Telkos. Sehr viele interne Calls haben dazu wenig mit meinem Geschäft, sondern sehr oft mit internen Reportings, Maßnahmen und neuen Vorgaben zu tun. Das hat in den letzten Jahren massiv zugenommen und nervt mich inzwischen.
Hatte nie ein Problem mit Zahlendruck, nervenden Kunden, hunderttausenden Kilometern auf der Autobahn und in der Luft, weil ich weitestgehend autark arbeiten konnte. Solange ich bei 100%+ war, hat es niemanden interessiert, ob ich am Freitag um 14.00 Uhr nach dem letzten Termin in den Biergarten gefahren bin. Heute steht freitags um 17.00 Uhr eine Telko mit Forecast für die Produktionsplanung an....
Die Bonbons, die das Vertriebsleben (aus meiner Sicht) lebenswert gemacht haben - neben dem guten Gehalt - werden kleiner oder sind bereits dem Controller-Wahn zum Opfer gefallen.
Lange Rede, kurzer Sinn: ob der Außendienst schwierig ist oder nicht, hängt von der Persönlichkeit ab. Man kann fachlich top sein. Hilft aber nix, wenn man sich nach einem Anschiss warum die Zahlen mies sind, für 2 Tage in Embryonalstellung ins Bett verkrümelt.
Der Job macht mir schon noch Spaß und ich kann mich finanziell überhaupt nicht beschweren. Aber es macht nicht mehr.... "richtig Bock", wenn Ihr wisst, was ich meine.
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