WiWi Gast schrieb am 09.04.2020:
Hey ich stecke in einem kleinen Dilemma.
Da ich mein Abitur damals mit einem Schnitt von 3,5 ziemlich verbaut habe konnte ich wohl oder übel nicht Medizin studieren. Bin deshalb auf Informatik ausgewichen, habe das Studium gut abgeschlossen und arbeite aktuell als Softwareentwickler bei SAP. Nur finde ich die Arbeit nicht erfüllend und würde gerne meinen Traum verwirklichen und Medizin studieren. Es ist nun eine Weile her seit ich mich mit dem deutschen Hochschulsystem auseinandergesetzt habe da ich schon eine ganze Weile Berufstätig bin. Zählt meine Arbeitszeit als Wartesemester und lohnt es sich in euren Augen Medizin zu studieren? Ich bin im IT Sektor nicht glücklich geworden (obwohl mir die SAP Firmenkultur gefällt und das Gehalt super ist für den Arbeitsaufwand) Nur weiß ich nicht ob es sich lohnt 10 Jahre bei SAP einfach wegzuwerfen.
Wäre dankbar für Antworten
Mich macht folgendes stutzig: Du sprichst von: "Traum verwirklichen", "meine Arbeit ist nicht erfüllend", aber andererseits: "lohnt es sich, Medizin zu studieren". Wenn Arzt dein Traumberuf ist, hättest Du geschrieben: "Wie kann ich mit 35 noch Medizin studieren?"
Ob es sich finanziell lohnt, Medizin zu studieren kannst Du als Programmierer selbst ausrechnen. Die Gehälter angestellter Ärzte sind öffentlich zugänglich: https://www.praktischarzt.de/arzt/gehalt-arzt/
Du hast ca. 6,5 Jahre kein regelmäßiges Einkommen mehr, (ausser im PJ, dem Praxisjahr vor dem Examen) verdienst dann aber schon als Assistenzarzt entsprechend der verlinkten Tabellen. Du soltest vor der Studienaufnahme schon Deine 3 Monate Pflegepraktikum absolviert haben, denn Du brauchst die vorlesungsfreie Zeit entweder für unbezahlte Patientenpraktika, Famulaturen und zum Auswendig lernen.
Ob Du als Arzt persönlich die Erfüllung findest und es sich lohnt, kannst Du nur selbst beurteilen. Sprich mit vielen Ärzten und entscheide für Dich selbst.
Zum Ablauf: Wie schon ein Forist bemerkte, es gibt keine Wartezeit mehr und selbst wenn, dann läuft die erst ab der Bewerbung über Hochschulstart. Da Du ein Zweitstudium anstrebst, wirst nach einer Punkteskala bewertet: 40% Note des Erststudiums und dann weitere Punkte für andere Gründe. Näheres findest Du bei www.hochschulstart.de. Es wäre natürlich hilfreich, wenn Du einen Bezug zu Deinem aktuellen Job herstellen kannst, also bei SAP im medizinischen Softwarebereich tätig bist. Ansonsten sieht es mau aus und Du müßtest Studiengebühren an einer privaten Uni zahlen.
Einen Vorteil hättest Du mit Deinem aktuellen Job: der Dokortitel kann mit einer statistischen Arbeit schnell gemacht werden. Es gibt 3 verschiedene Arten, diesen zu erwerben: ein Forschungsprojekt mit Freisemester(n) und Laborarbeit, eine klinische Studie oder eine statistische Auswertung. Letztere ist die sogenannte "Kantinendoktorarbeit", schnell, mit wenig Aufwand, innerhalb der Ärzteschaft mit dem geringsten Ansehen, aber auf der Visitenkarte steht der Dr. vor Deinem Namen.
Zum Alter: mein Sohn studiert Medizin an einer großen deutschen Uni. Der älteste Kommilitone war zum Studienbeginn 2017 bereits 52 Jahre alt. In seiner aktuellen Kleingruppe ist der älteste Student 39 Jahre alt, hat also mit 36 begonnen. Er hat zuvor Biologie studiert und hat sich zum Medizinstudium entschlossen, weil er als Diplombiologe in der Forschung mies bezahlt wurde, nur Zeitarbeitsverträge erhielt und die ganzen Projekte von Medizinern mit Festanstellung geleitet wurden, obwohl er ein grösseres Fachwissen hatte.
Alles ist möglich. Wenn berufliche Erfüllung Dein Ziel ist, dann sprich mit Ärzten, mache Deinen Plan und realisiere Deinen Traum, wenn es um finanzielle Erfüllung geht, dann gibt es Alternativen.
Mein Sohn wird nach dem Studium nicht als Arzt oder in der Forschung arbeiten. Er hat schnell festgestellt, dass das deutsche Gesundheitssystem krank ist und wird daher ein Zweitstudium beginnen, um das System heilen zu können und nicht unter der Krankheit zu leiden. Insofern, und auch im Hinblick auf KI in der Medizin ist eine Kombination auf Informatik und Medizin durchaus sinnvoll und die 10 Jahre sind nicht verschwendet, ausser man will als Landarzt arbeiten.
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