Hallo,
ich habe ein relativ langes Praktikum hinter mir und bewerbe mich für ein zweites, welches ich mache, weil ich mir dadurch einen leichteren Berufseinstieg dort erhoffe.

Wie dem auch sei: Mein alter AG war nicht so gut. Ich habe natürlich einiges gelernt und werde auch wichtige Dinge sehr positiv hervorheben (ggf. auch schön reden), da ich ja auch was vorzeigen will. Aber es gab auch Sachen, die mir nicht zugesagt haben bzw. sogar dazu geführt haben, dass ich dort auf jeden Fall nicht bleiben will nach meinem Praktikum, obwohl mir eine Stelle angeboten wurde.
U.a. sehr eingerostete Prozesse, kein offenes Ohr für Innovationen und Ideen, keine Umsetzungsbereitschaft für neue Ideen etc.

Kann ich so etwas als Grund einbringen, wenn man mich fragt, wieso ich dort nicht bleiben wollte oder wird das als kritisch angesehen, weil man fürchten muss, dass ich auch das neue Unternehmen woanders schlecht reden könnte? Oder breche ich damit sogar eine ungeschriebene Regel? ;-)

Es wird übrigens ein Gespräch bei der Konsumgüterindustrie sein. Bin jetzt noch im bereich Einzelhandel tätig.

Danke!

Grundsätzlich: NIE schlecht vom alten AG reden.

Du kannst gern sagen, dass deine persönliche Philosophie nicht mehr der Firmenphilosophie übereinstimmte und du deshalb das Gefühl hattest, dort nicht dein volles Potential verwirklichen zu können.

Aber nicht sagen: der war schlecht. Das ist nämlich nur deine subjektive Meinung. Es gibt Leute, die freuen sich über solche "Beständigkeit". Ich kann verstehen, wie du dich fühlst, da ich aus diesen Gründen auch vor kurzem einen AG-Wechsel hatte ;), aber ich habe das auch eher als "neue Herausforderung" verpackt gg.

Diese "ungeschriebene Regeln" gelten nicht nur in der Berufswelt. Generell sind Menschen suspekt, die nicht loyal sind. Es gilt das Prinzip "Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.". Frag dich also: Möchtest du, dass jemand hinter deinem Rücken an dir Kritik übt? Wenn man etwas strenger ist, könnte man sowas als Verrat bezeichnen. Verräter sind nie sehr beliebt.

Im Übrigen wird sowieso niemand dich ernst nehmen: Kritik wird nur von Authoritäten akzeptiert. Ein neunmalkluger Praktikant ist keine Authorität. Es liegt in der Natur der Dinge, dass nicht alle gleich losrennen, wenn der Praktikant eine gute Idee hat. Deine Kritikpunkte treffen auf mindestens 2 von 3 Unternehmen zu und die meisten Mitarbeiter wissen das. Generell mangelt es ja nicht an guten Ideen und Vorschlägen. In der Umsetzung liegt die eigentlich Schwierigkeit. Wer Innovation vorantreiben will, der muss sich immer gegen Widerstände durchsetzen.
Vorschlag: Vergiß dein Idealbild vom perfekten Unternehmen und zeig erstmal, dass du Innovationen auch selber umsetzen kannst, anstatt andere zu kritisieren.

Du brauchst meiner Meinung nach gar nicht begründen, warum die als Praktikant nicht beim alten Unternehmen geblieben bist.

Wenn ich das richtig verstanden habe möchtest du dich nochmal für ein Praktikum bewerben.
Von daher wird die Frage gar nicht auftauchen, weshalb du die Tätigkeit beim alten Unternehmen nicht verlängert hast.

Ich habe eine ähnliche Frage zu diesem Thema:

In einen Bewerbungsgespräch wurde mir die Frage gestellt, was für mich einen guten Vorgesestzten ausmacht und mich welchen Eigenschaften ich eher nicht zurechtkommen würde. Darf man auf den zweiten Teil eine ehrliche Antwort geben? Oder ziehen Personaler daraus Rückschlüsse, dass ich damit evtl. Kritik an einen ehemaligen Vorgesetzten ausübe?
Zudem wurde ich gefragt, ob es schon mal zu Schwierigkeiten innerhalb einer Gruppe, z. B. bei einem Uni-Projekt gab und wie ich bzw. die Gruppe damit umgegangen ist. Darf man das offen ansprechen? In meinem Fall war es so, dass es mit einer Person etwas Komplikationen gab. Im Gespräch habe ich das angesprochen mit dem Zusatz, dass - nachdem man offen miteinander über das Problem gesprochen - letztlich zu einem guten Erfolg gekommen ist. Ist das OK?

Ich verstehe den Zweifel an euren Aussagen. Natürlich verwarte ich nicht, dass MEINE Ideen als Praktikant mit Jubelschreien begrüßt werden. Aber selbst Bereichsleiter und Senior Manager, die was von sich halten, verlassen sukzessive das Unternehmen, weil einfach nichts vorangeht, egal wie sehr man sich auch den A**** aufreißt. Jedes andere Unternehmen würde bei so viel Einsatz und Engagement Freudensprünge machen. Ansonsten würde ich auch bleiben, aber diese demotivierende Atmosphäre frisst einen ja regelrecht auf.

Aber wie dem auch sei: Dann werde ich wohl lieber mit "ich suche neue Herausforderungen" begründen.

Zu deiner ersten Frage kann ich leider nichts sagen. Zu deiner zweiten: Völlig okay. Ruhig auch Schwächen zugeben, das macht authentisch und ehrlich, aber natürlich keine krassen Sachen. Da du auch sofort gesagt hast, dass du die Schwäche erkannt und versucht hast zu beseitigen und das Projekt zu einem guten Abschluss geführt hat, ist das 1+! Schwächen zugeben, aber auch die Lösung dafür finden und zeigen dass man an sich arbeitet. Mehr will der AG gar nicht wissen.

Wenn du mit den verkrusteten Strukturen beim alten AG Probleme hattest, dann würde ich schon kommunizieren, welche Erwartungen du beim neuen AG hast. Du brauchst den alten AG nicht direkt kritisieren, aber wenn du vermeiden willst, dass du wieder an so einen AG gerätst, dann sollte man das schon ansprechen in etwa: Du suchst ein Arbeitsumfeld, indem man neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen ist.

Deine Punkte wie eingerostete Prozesse, keine Innovationen wirst du in fast jedem Unternehmen in unterschiedlicher Intensität haben. Die meisten Berufseinsteiger (Praktikanten genauso) glauben, sie müssten ein Unternehmen ändern/verbessern. Auch mir und meinen Kollegen ging es so, überall hat man Verbesserungspotenzial gesehen. Im Laufe der Zeit lernt man aber, dass das so nicht läuft, Änderungen kommen fast nie von unten. Viele Menschen (und daraus bestehen Unternehmen nun mal) möchte sich nicht ändern. Ich kann menschlich verstehen, warum du deinem Ex-AG sagen möchtest, was du alles für schlecht hälst - aber ich würde es lassen. Im besten Fall nimmt man dich nicht ernst und schmunzelt über dich, im schlechtesten Fall hinterlässt du verbrannte Erde - und man trifft sich immer zwei mal im Leben.

Zur 2. Frage in diesem Thread. Grundsätzlich werden immer Teamplayer gesucht, auch wenn jeder Vorgesetzter weiß, dass er seine Position ohne Ellenbogen nicht erreicht hätte, aber in seiner Abteilung will nun mal jede Führungskraft Harmonie. Persönlich würde ich ehrlich kommunizieren, was ich erwarte, um so dem potenziellen AG die Chance zu geben, einzuschätzen, ob ich ins Unternehmen passe. Wenn du Berufseinsteiger bist, würde ich vielleicht aber auch sagen, dass du zu wenig Erfahrung hast, um eine ernsthafte Aussagen treffen zu können, was ein guter Vorgesetzter haben muss.