Mehrjährige Erfahrung in Personalauswahl und Azubibetreuung habe ich auch, und was Du erzählst ist totaler Unfug. "Akademikerstellen" in der BWL? Gibt es bei uns nur bei in der Arbeitsrecht-Stabstelle, denn die brauchen das zweite Staatsexamen. Wenn Du soetwas erzählst, geht bei euch wichtiges Potenzial schon im Betrieb flöten. Mein Beileid.
Bei uns bekommen kaufm. Azubis generell die ganzheitlichere und bessere Ausbildung als Praktikanten, in der Regel haben Sie nach wenigen Wochen auch mehr drauf als diese. - Was natürlich daran liegt, dass wir unsere Azubis sorgfältig aussuchen und Praktikanten nehmen wo wir sie gerade gebrauchen können. Und da merkt man häufig, dass viele noch nie gearbeitet und keine Ahnung vom Tuten und Blasen haben. Ich habe sogar Praktikanten erlebt, die haben die Arme verschränkt und gesagt, diese Arbeit sei unter ihrem Niveau und dass sie sich eigentlich zur Führungskraft berufen fühlen. Naja, mit dem Zeugnis welches wir ausstellten wohl nicht mehr.
Kurzum scheinen auch viele zu vergessen, dass im kaufm. Bereich generell fast nur noch Abiturienten eine Ausbildung anfangen - bedingt durch die hohen Quoten und die unzulängliche Vorbereitung von Realschülern heutzutage. Das heißt, Sie beginnen auf der gleichen Wissensebene wie die Kollegen im ersten Semester BWL, sie lernen die kaufm. Tätigkeiten eben auf einer ganz anderen Ebene kennen und bauen von dort aus auf. Studenten sammeln ihre Bausteine auf der theoretischen und strategischen Ebene und müssen von alleine zusehen, wie es sie es hinbekommen, dieses Wissen in den betrieblichen Alltag zu transferieren. Das bekommen heutzutage leider viele nicht hin.
Allerdings beenden viele unserer Azubis ihre kaufm. Ausbildung mit einem sehr guten Abschluss, denn Sie wissen, dass Sie dafür eine Belohnung erhalten: Eine Kostenübernahme des wahlweise anknüpfenden Abendstudiums. So dauert es vielleicht 2-3 Jahre länger, aber so ziehen wir uns unsere High-Potentials selbst heran. Schließen Sie ihr Bachelor-Studium erfolgreich ab und besteht der Bedarf an der Weiterentwicklung dieser Person, zahlen wir sogar das Masterstudium im Anschluss. Zum Schluss haben wir dann einen (aufgrund der Kostenübernahme vertraglich an uns gebundenen) Bachelor- oder sogar Masterabsolventen, den wir uns selbstherangezogen haben und der 2,5-3 Jahre lang alle kaufmännischen Bereiche kennen gelernt hat, und danach in Vollzeit 3-5 Jahre einschlägige Berufserfahrung bei uns gesammelt hat. Was besseres gibt der Markt nicht her.
Aber zurück zum eigentlichen Problem. Studenten bekommen Tag ein Tag aus von ihren Dozenten nichts anderes erzählt, als das Sie mal irgendwo Abteilungsleiter, Geschäftsführer, Vorstand, oder in irgendeiner Weise mal entscheidungsverantwortlich sein werden (habe ich selbst seinerzeit auch so erlebt). Dabei haben Sie noch nie einen Betrieb von innen gesehen. Viele Praktikanten fallen daher beim Praktikum erst mal völlig auf die Nase. Sind überfordert beim selbstständigen Rechnungen prüfen, Urlaubstage eingeben, Ablage machen. Und denen soll ich qualifizierte Aufgaben zukommen lassen?
Das war vor 10-15 Jahren durchaus noch anders. Durch die Änderung des Diploms in verwässerte Bachelor und Master hat sich unser Bildungssystem ins Abseits geschossen. Ich sehe die Ausbildung mittlerweile nur noch als Treppe. Wer mit Erfolg die erste Hürde nimmt, bekommt die Weichen für die zweite gestellt, usw. Masterabsolventen, die außer Schule und Uni nichts gesehen haben, sind für unseren betrieblichen Abläufe mittlerweile uninteressant. Auch die Abendstudien unserer ehemaligen Azubis sehe ich als eher als "Fortbildungen". Um bei uns Karriere zu machen, sind diese aber nicht zwingend notwendig, denn es gibt keine Aufgaben im kaufmännischen Bereich, der exklusiv den Studierten vorbehalten ist. All die strategischen Fähigkeiten und Denkmodelle, wie sie in der Uni vorgestellt werden, sind auch für die im jeweiligen Bereich Berufstätigen leicht nachzuvollziehen.
Ich wollte einmal durchbringen, dass wir nur noch Hochschulpraktikanten mit Berufserfahrung nehmen, aber diese lassen sich zu schwer finden - denn diese Studenten brauchen keine Praktikas mehr, sondern arbeiten eher nebenher halbtags in ihrem Ausbildungsberuf. Kommt ja auch mehr bei rum.
Zum Threadersteller kann ich nur sagen: Dein bestes Zeugnis ist dein Ausbildungszeugnis und die betriebliche Ausbildung wird in zukünftiges Auswahlverfahren dein persönliches Alleinstellungsmerkmal sein.
Zu Einstiegsgehältern kann ich nicht allzu viel mutmaßen, zu unterschiedlich sind die regionalen und branchenspezifischen Bezüge, aber am Einstiegsgehalt sollte man nicht allzu viel festmachen. Wer sich in den ersten 1-2 Jahren im Beruf gut verkauft, wird merken, dass ein Einstiegsgehalt eben nur dies ist: Ein Einstiegsgehalt. Kein Unternehmen kauft die Katze im Sack.
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