Was muss passieren, um die Arbeitslosigkeit abzubauen?
Um ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederzugewinnen, müssen die deutschen Arbeitnehmer produktiver oder billiger werden.
Politiker pflegen Innovationen zu beschwören, um die Arbeit produktiver zu machen und dadurch bei gegebenem Lohn neue Investitionen zu induzieren, die Arbeitplätze schaffen. Aber solche Innovationen fallen nicht vom Himmel. Die einzige Maßnahme, die sofort verfügbar ist und wie eine produktivitätssteigernde Innovation wirkt, ist die Verlängerung der Arbeitszeit bei gleicher Bezahlung. Den Gesetzen der Ökonomie ist es egal, ob die Produktivität der Menschen steigt, weil ein Ingenieur eine tolle Erfindung gemacht hat, die die Produktivität der Arbeit und der Maschinen vergrößert, oder weil der einzelne Arbeiter und mit ihm das in Maschinen und Gebäuden gebundene Kapital jeden Tag länger arbeitet. Beides wirkt grundsätzlich gleich und schafft Arbeitsplätze.
Das aber wird nicht reichen. Da die Arbeitslosigkeit sich bei den gering Qualifizierten konzentriert (Deutschland ist hier Weltmeister unter den OECD-Ländern), müssen Maßnahmen getroffen werden, die Lohnspreizung sozialverträglich zu erhöhen. Dazu hat das ifo Institut das Modell der Aktivierenden Sozialhilfe entwickelt. Im Kern sieht es eine weitere Modifikation des Arbeitslosengeldes II vor, das unter einem extrem hohen Transferentzug krankt: Hartz V sozusagen. Erstens wird der freie Hinzuverdienst von 400 Euro erlaubt (statt nur 50 Euro wie heute). Zweitens werden die ersten 200 Euro Eigenverdienst mit 20% bezuschusst. Drittens wird der Transferentzug jenseits der 400 Euro so begrenzt, dass im Zusammenwirken von Transferentzug und staatlichen Abgaben niemandem von einem zusätzlichen Euro Eigenverdienst mehr als 70 Cent abgezogen werden. (Hartz IV hat einen Abzug von 80 bis 90 Cent.) Viertens wird das Arbeitslosengeld im Falle der Nichtarbeit um etwa ein Drittel abgesenkt, um die fiskalischen Lasten des Staates zu begrenzen. Fünftens wird jedem Erwerbsfähigen eine kommunale Beschäftigung angeboten, wo er notfalls ein Einkommen in Höhe des heutigen Arbeitslosengeldes II verdienen kann. Sechstens bieten die Gemeinden die ihnen anvertrauten Arbeitskräfte meistbietend über Honorarverträge der privaten Wirtschaft an.
Dies ist ein sicheres und finanzierbares Rezept, Arbeit für jedermann zu schaffen. Einerseits werden die Lohnansprüche der Betroffenen für Stellen in der Privatwirtschaft fallen, ohne dass damit deren Einkommen fallen. Zu niedrigeren Löhnen wird es mehr Stellen geben, weil sich diese Stellen dann für die Arbeitgeber, seien es Unternehmen oder Privathaushalte, wieder lohnen. Andererseits wird es für die nicht direkt vermittelbaren Personen auf jeden Fall Leiharbeitsstellen geben, weil für praktisch jeden ein von null verschiedener Honorarsatz existiert, zu dem sich eine Nachfrage nach seinen Leistungen ergibt. Das Modell sichert die Einkommen der Geringverdiener, bringt ihnen Arbeit und kostet doch nicht mehr als das alte Sozialsystem.
Zudem ist es ein Programm zur Integration der Schwarzarbeit in das private Handwerk. Die Kunden der Schwarzarbeiter wenden sich an das Handwerk, weil sie am Schwarzmarkt keine Leute mehr finden (die Transferempfänger müssen acht Stunden am Tag arbeiten), und das Handwerk kann die Kunden dank der billigen Leiharbeiter, die sie bei den Kommunen bekommen, bedienen.
Hans-Werner Sinn
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts