Mir war das schnell klar. Ich bin nach einigen Jahren von einem großen Industrieunternehmen in die Beratung gewechselt. Gründe waren: mal was anderes machen, sich entwickeln, etc. Diesen Schritt bereue ich aus heutiger Sicht teilweise.
In der Beratung bin ich als Experte im Managementrang (Richtung Management Consulting Operations) eingestiegen. Die Honeymoon-Phase war schnell um. Der Stumpf-ist-Trumpf-Ansatz meiner Chefs, der ständige Spagat zwischen Kunden zufrieden stellen und junge Mitarbeiter ohne Plan, Erfahrung und Fachkompetenz bei bloßem Leistungswillen entwickeln zu müssen haben mich zermürbt. Gemerkt habe ich, dass ich gehen muss, als mich (alle) Kunden mit zum Teil guten Angeboten abwerben wollten und mir trotz 5 Tage-Einsatz auf Projekten pro Woche mangelndes Interesse an internem Networking als Grund für meine stockende Weiterentwicklung genannt wurden (Andere wären da präsenter).
Viele Angebote (über Xing, von Headhuntern) waren i. d. R. geldlich nicht auf Beratungsniveau. Diese Erwartung ist aber bei vielen produzierenden Unternehmen mit starker Gewerkschaft aber auch unrealistisch. Das ist mir mittlerweile klar geworden.
Als ich die Vorgehensweise meiner Chefs bei einem Projekt fachlich und persönlich nicht mehr ggü. dem Kunden rechtfertigen konnte bin ich schlussendlich gegangen. Da ich noch recht jung war, waren die Gehaltseinbußen beim Wechsel zurück in die Industrie eher gering bei vielen anderen Vorteilen. Diese Einbußen konnte ich mittlerweile nach mehr als vier Jahren sehr harter Arbeit etwas mehr als wett machen. Die Arbeitsbelastung ist nach wie vor hoch, ich trage allerdings mehr Verantwortung und muss wesentlich kreativer Arbeiten als in der Beratung. Dafür reise ich weniger und nicht an Wochenenden. Das größte Plus: die Kluft zwischen Erwartung der Chefs, der Kunden und der jungen Kollegen ist deutlich kleiner, was mir ermöglicht aus der Draufsicht effektiver zu arbeiten.
Mit etwas Abstand ist mir klar geworden, dass Beratungen leistungsfähige Mitarbeiter gerne mit Karotten so lange zufrieden stellen, bis Mitarbeiter ein Alter und eine Gehaltsstufe erreicht haben, wo sie den Wechsel scheuen. Bist Du erstmal für Dein Alter beim Gehalt weit gekommen, musst Du mit Einbußen beim Wechsel in einen normalen Betrieb oder Konzern rechnen. Viele Berater haben sich aber mit dem Geld gut eingerichtet. Ausnahmen bestätigen auch nur Regeln.
Dass es dann oft zu Gehaltseinbußen kommt ist klar. Die Kompetenzen von Beratern sind stark ausgeprägte Allgemeinkompetenzen, über die auch mind. 20% der Mitarbeiter eines Unternehmens (gerne von Beratern selbst als Karrieristen bezeichnet) verfügen. Auch Smartness und Intelligenz sind unter der Sonne normalverteilt. Was dem Neueinsteiger fehlt, sind aber oft fachliche Kompetenzen und Unternehmenswissen 1.0. Ich hatte beim Wechsel das Glück beides vorweisen zu können.
Insgesamt habe ich den Wechsel in die Beratung und den Wechsel aus der Beratung raus Headhuntern bzw. Xing-Inseraten zu verdanken. Bitte nicht glauben, dass diese Angebote, die dort in Deine Mailbox purzeln Angebote sind. Es sind leider nur Inserate, die an viele gehen. Ich kann das Gefühl der Wertschätzung aber schon nachvollziehen. Mittlerweile ist mir das klar geworden. Obwohl mir die Wechsel jeweils gelegen kamen, waren sie im nachhinein nichts für mich. Meinen jetztigen Job verdanken ich einem Kontakt, mit dem ich vor meiner Beratungszeit gearbeitet habe und der fachlich einiges von mir hält.
Vielleicht also lieber schnell wechseln, weiter hart arbeiten (höhere Effektivität erreichen), um ggfs. nochmal zu wechseln. Das ware Netzwerk ist nicht LinkedIn oder Xing.
Werde Dir klar, was Du willst: mehr Geld oder eher gleich viel Geld, weniger Arbeitszeit und mehr Freizeit, mehr Verantwortung, etc. In der Regel ist nicht alles gleichzeitig drin.
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