WiWi Gast schrieb am 29.12.2022:
Als gelernter Versicherungsmakler war ich in der Vergangenheit immer ein großer PKV-Befürworter aber nach intensiven Überlegungen habe ich mich vor 2 Monaten doch gegen die PKV entschieden. Für mich waren folgende Gründe ausschlaggebend:
Habe vor Kurzem eine gegenteilige Entscheidung getroffen. Meiner Ansicht nach vernachlässigst du mehrere Aspekte und gewichtest die Risiken der GKV anders als der PKV.
Die Kurzfassung vorab: Die Finanzierung der GKV befindet sich in einer massiven Schieflage, die dadurch zustande kommt, dass sie im Prinzip finanziert wird wie die Rentenversicherung: Die Jungen zahlen und die Alten nehmen die Leistungen in Anspruch. Rentner zahlen aktuell nur sehr geringe GKV-Beiträge. Gleichzeitig erhöhen sich die Leistungsausgaben massiv.
Ein Stück weit wird der Steuerzahler dafür aufkommen müssen, aber in unbegrenzter Höhe wird das nicht möglich sein. Man wird an der Beitragsschraube genau so drehen wie an den Leistungen. Es geht schlicht nicht anders.
WiWi Gast schrieb am 29.12.2022:
- Die vermeintlich eingesparten Kosten relativieren sich sehr schnell, wenn mit spitzen Bleistift (Steuereffekte usw.) gerechnet wird. Ein vernünftiger Tarif kostet (wie du ihn dir rausgesucht hast) mind. 350-400€ Eigenanteil (Tarif: 700-800€). Das wären im Vergleich zum GKV-Höchstbeitrag eine Ersparnis von bis zu 200€, ist es aber leider nicht wirklich, da der erhöhte AG-Zuschuss und die höhere steuerliche Absetzbarkeit der GKV-Beiträge berücksichtigt werden müssen (PKV-Prämie ist leider nicht voll absetzbar...). Unterm Strich kam ich auf Netto +- das gleiche raus, trotz kleinerer PKV-Tarifprämie vs. GKV-Beitrag.
Korrekt. Ich spare, mit einem sehr günstigen, aber trotzdem leistungsstarken Tarif bei der Continentalen, nur gut 90€ netto im Monat. Hinzu kommen allerdings die Einsparungen durch die Zusatzversicherungen, die mich auch noch einmal 50€ gekostet haben. So spare ich 140€. Man sollte aber nicht wegen der Kostenersparnis in die PKV wechseln.
WiWi Gast schrieb am 29.12.2022:
- Das Risiko der Prämiensteigerung ist bei den teuren Tarifen und einer Gesellschaft mit solider Tarifhygiene (nicht zu viele Tarife im Bestand) zwar durchaus überschaubar aber auch dort muss realistisch (allein schon inflationsbedingt) mit bis zu einer Verdoppelung der Tarifprämie gerechnet werden, d.h. anstatt 700-800€ = 1400-1600€, lets say 1.500€ im Alter rechnen. Bis zu 400€ mtl. kann man in der Regel durch Zusatzbausteine (Beitragsentlastungskomponenten) über die PKV im Alter vorsorgen. Bleiben immer noch wahrscheinlich 1100€ Tarifbeitrag im Alter übrig. Fairerweise wird man wohl sagen müssen, dass auch der GKV-Höchstbeitrag in 30 Jahren inflationsbedingt bei 1600€ oder mehr sein wird aber den wirst du einkommensbedingt mit deiner gesetzlichen Rente+ BaV nicht zahlen müssen.
Das ist die erste Annahme, die meiner Meinung nach falsch ist. So wird zum Einen immer wieder gefordert, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen - dann würde man als Gutverdiener bereits jetzt schon pro Monat 1300€ oder mehr bezahlen. Zweitens wird man mittelfristig nicht darum herumkommen, bei Rentnern auch andere Einkommen als BAV/DRV/Versorgungswerke zu berücksichtigen. Zum Beispiel zahlt aktuell ein ehemals Selbstständiger, der 5 Jahre freiwillig in die DRV einbezahlt hat, sonst als Altersvorsorge Mietwohnungen gekauft hat und gesetzlich versichert war, praktisch keine Krankenkassenbeiträge (er ist Mitglied der GKV der Rentner).
Dass die Möglichkeit der sehr günstigen Krankenversicherung für Rentner auch in 40 Jahren noch existiert halte ich für unwahrscheinlich.
WiWi Gast schrieb am 29.12.2022:
In meiner Rechnung kam ich bei zu erwartender GR + BaV (4000-4500€) bei 900€ GKV Prämie im Alter raus. Wäre also wohl "pari" mit der PKV-Prämie und die Rechnung gilt auch nur, wenn ich bis zum Rentenalter durchgehend auf dem aktuellen hohen Gehaltsniveau weiter verdienen würde. Ein paar Jahre TZ oder vorgezogenen Ruhestand (wenn ich es mir dann leisten kann) und die GKV-Prämie könnte dann niedriger ausfallen. Fazit: Geld sparen würde ich in der Erwerbstätigkeitsphase auch nicht (ausgenommen durch evtl. jährliche BRE)
Ja, aber wie gesagt: Es kann auch in die andere Richtung gehen.
WiWi Gast schrieb am 29.12.2022:
- Meine noch nicht feststehende Familienplanung. In meinem Fall bin ich noch single und kinderlos, wünsche mir aber durchaus mind. 2 Kinder und mehr dürfte ich als PKV-versicherter auch nicht bekommen. Ich hab viel rumgerechnet und ab dem zweiten Kind würde mich jedes weitere rund. 18.000€ Mehrprämie (bis zu Studiumende) kosten. Ich für mich wollte mich da jetzt einfach noch nicht auf 2 Kinder festlegen.
Ich halte 18.000€ in zweieinhalb Jahrzehnten für ein Kind für nicht viel. Davon würde ich keine Entscheidung abhängig machen.
WiWi Gast schrieb am 29.12.2022:
- Die Kosten in der GKV werden mit Sicherheit auch weiter steigen, vielleicht auch stärker zu Lasten der AN (durch den Zusatzbeitrag) als zu Lasten der AG aber auch dabei ist denke ich der Spielraum marginal, wenn die Regierung die wenigen Fachkräfte im Land noch halten will...
Wie gesagt, du unterschätzt die Dimension der gegenwärtigen Schieflage. Entweder die Leistungen werden gekürzt, oder es werden neue Einnahmequellen erschlossen (vermutlich auf Kosten der bösen "Reichen"), vermutlich beides.
WiWi Gast schrieb am 29.12.2022:
- Bei einem normal gesunden Lebensverlauf wären für mich die relevanten PKV-Leistungsbenefits nur folgende: schnellere Terminvergabe, keine Kosten beim Zahnersatz, noch regelmäßigere bezahlte Vorsorgeleistungen sowie nach einem Unfall wesentlich bessere Rehamaßnahmen durch bezahlte Physiotherapie, 1-2 Zimmer im Krankenhaus etc.
Von Heilpraktikern, Osteopathen halte ich persönlich nicht viel. Unter der Annahme, dass ich hoffentlich nie einen Unfall haben werde, kann ich bei etwaigen sonstigen Krankenhausaufenthalten (heutzutage bleibt man nach OPs nur 1 bis max. 2 Wochen im Krankenhaus) das 1 Bettzimmer auch extra zahlen. Übrig bleibt der Zahnersatz, der kostentechnisch berücksichtigt werden muss. Ich hab dafür 30.000-40.000€ veranschlagt, wenn ich in der GKV bleibe, alternativ kann man rechtzeitig auch eine Zusatzversicherung abschließen und die Kosten weiter drücken. Fazit: Auch leistungstechnisch sehe ich, unter der Annahme das ich keine Unfälle oder sonst chronisch krank werde, keine wirklichen Vorteile in der PKV. Im Krankenhaus wird der PKV Patient vom Arzt gleich behandelt bzw. operiert und wegen den restlichen Leistungsvorteilen im ambulanten Bereich, kann jeder selbst entscheiden, ob er sie bei Bedarf nicht auch selber zahlen kann/will.
Nächste einseitige Annahme: "normaler gesunder Lebensverlauf", "keine Unfälle"...merkst du etwas?
Die Lebenszeitwahrscheinlichkeit für eine Krebserkrankung liegt bei 50%. Kleinere bis mittlere Unfälle hat fast jeder mal, der irgendwie sportlich aktiv ist.
Die Terminvergabe im ambulanten Bereich ist nicht nur schneller, auch die Leistungen an sich sind besser und deutlich umfangreicher. Es werden wesentlich mehr Untersuchungen (bei der Hautkrebsvorsorge z.B. ausführliche Ganzkörper-Fotodokumentation bei der Hautkrebsvorsorge zur besseren Erfassung von veränderten Nävi, deutlich mehr Laboruntersuchungen...die Liste ist ewig) bezahlt. Und wenn du irgendeine rheumatologische Erkrankung hast möchtest du auch nicht ein halbes Jahr warten, weil du nämlich Schmerzen hast.
Im Krankenhaus gibt es in manchen Häusern eigene Privatstationen. Und nein, Privatpatienten werden nicht vom selben Arzt operiert wie der Kassenpatient. Der bekommt nämlich oft die Assistenzärzte, die noch irgendein Knie, einen Blinddarm oder was auch immer brauchen. Die besten Chirurgen im Haus machen immer zuerst die Privatpatienten, und Kassenpatienten nur dann, wenn sie noch Kapazitäten haben. Quelle: Meine Frau, die als Ärztin in einem chirurgischen Fach arbeitet.
Ich habe, über meine Frau, sehr viele Ärzte im Freundes- und Bekanntenkreis. Aufgrund der aktuellen Situation in den Krankenhäusern (die Gesundheitsversorgung bricht regelrecht zusammen) haben sich die meisten nun privat versichert.
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