Bin bei einer Tier2 UB und den TE-Beitrag hätte ich geschrieben haben können.
Dachte ich wäre resilient bis ich vor kurzem in ein Projekt gelandet bin welches leider gegen die Wand fuhr, da wollte mich der Manager geschickt für seine eigenen Inkompetenzen verantwortlich machen und kommunizierte dem Partner hinter meinem Rücken entsprechendes Feedback. Kurz danach sprachen 2 Partner mit mir unter 4 Augen und teilten mir mit dass meine Overall Performance angeblich Off-Track sei obwohl ich bis dato solides Feedback bekam. Bin zwar nicht komplett ausgerastet, jedoch sah man ganz deutlich dass ich wütend und sozial überfordert war.
Übrigens ist Burnout nicht direkt proportional zu Arbeitszeit oder -belastung. Burnout tritt ein wenn über längere Zeit die Arbeitsbelastung die eigene Motivation überschreitet. Ich habe in meinem Ingenieursstudium quasi nie Wochenende geschweige denn Freizeit/Hobbies gehabt weil ich durchgehend im Semester für Klausuren gelernt und Nebentätigkeiten ausgeübt habe. Burnout bekam ich trotzdem nie, weil ich immer ein bestimmtes Immediate Reward vor Augen hatte (1,0 in der Klausur, UB Praktikum, Top Master-Zulassung etc.) und mir das Lernen bzw. Knacken von Rätseln (in Form von mathematisch-physikalischen Zusammenhängen) Spaß gemacht hat, ich genoss einfach jedes mal den Endorphin-Schub...
Burnout bekam ich das erste Mal jedoch bei meiner Bachelorarbeit, wo mich meine Betreuerin teilweise vor anderen Leuten anschrie und belächelte weil ich bestimmte Sachen nicht wusste und nicht viel Arbeitserfahrung besaß. Es war quasi das erste mal, dass ich (wie du schreibst) in einer Situation war wo ich vor einem Problem stand, welches ich unter keiner Möglichkeit lösen konnte (das Computerprogramm hätte niemand in der kurzen Zeit von 0 auf sicher beherrschen können, immer wenn ich eine Frage stellte kam entweder Geschrei oder "finde es selber heraus" bzw. "das solltest du eigentlich wissen", im Vorstellungsgespräch wurde explizit gesagt dass nirgendwo Kenntnisse vorausgesetzt wurden, und letztendlich sehe ich den Sinn darin nicht wenn sich jemand so verhält: die Ausgangslage ist "ich weiß XY nicht", inwiefern hilft es mir dies herauszufinden indem mich jemand ohne jegliche Hilfe unter Druck setzt?!). Ich war von 9 bis 4 im Institut (um 4 ging der letzte und ich durfte nicht alleine bleiben), und trotzdem fand ich es jeden Tag 1000x schwieriger aus dem Bett zu kommen als bei 14-h-Lerntagen.
Unterschied Uni vs Wirtschaft spielt übrigens auch eine Rolle, allerdings sind meiner Ansicht nach 2 Faktoren der entscheidende Unterschied (es überschneidet sich viel mit dem was oben gepostet wurde):
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Zumindest in meinem Studiengang war in jedem Fach das einzige Bewertungskriterium die Klausurnote. D.h. das einzige was man machen musste war über das gesamte Semester aus einer begrenzten und klar definierten Menge an Informationen (Stichwort "klausurrelevant") möglichst viel zu verinnerlichen und dann in der Klausur zu reproduzieren (je nach Schwierigkeitsgrad des Faches wurden für eine 1,x entsprechend hohe oder geringe Transferskills abverlangt).
In der Wirtschaft hingegen ist der Informationspool den man zur Verfügung hat quasi unendlich groß und die Zeit stark begrenzt, weswegen es kritisch ist zu priorisieren und mit Unsicherheit klarzukommen. Zudem will der Kunde nicht dein Wissen überprüfen bzw. hören was er schon weiß, sondern eine Lösung für ein Problem welches er nicht selber lösen kann. Da funktioniert das System "Reproduziere Lernstoff und vergleiche mit Musterlösung" einfach nicht.
- An der Uni ist man nur eine Matrikelnummer und es gibt bei jeder Klausur eine Musterlösung, an der sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter bei der Klausurkorrektur richten müssen. D.h. die Bewertung hängt von ziemlich objektiven Kriterien ab, zu der die Interaktion mit anderen Menschen nicht zählt (i.e. man bekommt die 1,0 wenn man eine entsprechend gute Klausur schreibt, und kriegt evtl. ein Empfehlungsschreiben wenn man sich vor dem Prof, der einen gar nicht persönlich kennt, im Gespräch nicht ganz so asozial anstellt).
Die Abwesenheit zwischenmenschlicher Interaktion ist insofern relevant, dass niemand zu dir kommt und dich kritisiert wenn du bei Klausuren durchfällst, schlechte Noten schreibst etc., d.h. Versagen hat für keinen Auswirkungen außer dich selbst. Es kritisiert dich niemand wenn du 2 h lang über dem Skript sitzt weil du einen Beweis nicht verstehst, und du kannst dich darüber Problemlos 1 h lang mit dem Dozenten in der Sprechstunde unterhalten.
Mit anderen Worten gehst du in erster Linie für dich selbst an die Uni und wirst für nichts zur Rechenschaft gezogen, die Uni hat gegenüber dir eine Verantwortung dir Sachen beizubringen. In der Wirtschaft sieht es ganz anders aus: ein Unternehmen muss Geld verdienen, und du wirst eingestellt um ihnen dabei zu helfen. D.h. Fragen werden nur gerne gesehen, wenn alle andere Möglichkeiten (e.g. googeln) ausgeschöpft sind. Und wehe man lässt sich etwas zweimal erklären (was in Schule/Studium sogar positiv als Zeichen von Neugier gesehen wird), da wird man schneller als "dumm" abgestempelt als man gucken kann. Es muss (theoretisch) alles möglichst schnell verstanden werden, weil das in der Praxis in kürzester Zeit nicht möglich ist kommen eben diejenigen zum Vorschein, die die größte Sicherheit ausstrahlen.
(Kleine Anekdote: bei einem Rechenfehler bekommt man an der Uni maximal einen halben Punkt Abzug. Ich hatte bei meinem ersten UB Praktikum mal mehrere Rechenfehler in Slides drin, lag wsl. noch am Uni-Mindset. Mein Manager nahm mich eines Tages kumpelhaft zur Seite und stellte mir lächelnd die Frage: "Nimm mal an, du bist Kunde, und es kommt ein Berater zu dir mit einem Powerpoint-Deck, wo auf der zweiten Seite die Zahlen offensichtlich falsch sind. Würdest du ihm vertrauen, dass die Zahlen auf den nächsten Seiten richtig sind?")
Bei mir treten sporadisch auch mal Gedanken auf, ob ich es nicht lieber ein halbes Jahr noch durchhalte und dann das Handtuch werfe, um als Mathe-Nachhilfelehrer zu arbeiten. Ich halte mich ab und an einfach für zu stolz, mir einzugestehen, dass ich mittlerweile alles deswegen mache nur um meinem Vorgesetzten möglichst wenig auf die Nerven zu gehen (obwohl seine Nerven ja quasi sein Problem sind).
Ich sehe dies jedoch als eine neue Herausforderung, resilienter zu werden. Ich weiß tief im Inneren, dass ich es nicht lange mit den Schuldgefühlen aushalten werde, wenn ich jetzt vor dem Problem weglaufe anstatt die Ärmel hochzukrempeln und an mir zu arbeiten. Mir ist bewusst, dass der Weg steinig wird, ich möchte für meine Kinder jedoch später der resiliente Vater sein der sich trotz Schwierigkeiten hochgearbeitet hat als derjenige der beim ersten Problem gleich rumheult und wegläuft. Ich stelle mich selbst oft als MBB-Partner vor, dem alle einst sagten dass er nicht das Zeug zum Berater hat (und das stimmt auch: fehlende natürliche Neugier, Schüchternheit, langsame Auffassung, geringe Resilienz, fehlende Konzentration) und der Ted-Talks hält, um für andere Menschen eine Inspiration zu sein.
Growth Mindset >>> Fixed Mindset --> TE: bleib' bitte in der Wirtschaft und kämpfe.
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