WiWi Gast schrieb am 03.02.2021:
Guten Abend zusammen!
Ich stehe vor der Entscheidung im Audit bei einer Big4 anzufangen.
Nun stelle ich mir die Frage, wie schlimm die Probezeit ist?
Soweit ich weiß bekommt man ja bestimmte Aufgaben und ein dafür vorgesehenes Zeitbudget zugeteilt.
- Sind diese Zeitbudgets fair?
Die Frage hier ist, über welche Zeitbudgets wir reden. In der Regel teilen wir einem Praktikanten kein präzises Budget zu, u.a. weil Praktikanten auch nicht 1 zu 1 an den Mandanten weiterberechnet werden. Dass jemand Neues länger braucht ist klar. Wenn es doch einmal ein exaktes Stundenbudget gibt, ist das in der Regel die Vorgabe, die wir einem Prüfer mit Minimum einem Jahr Erfahrung vorgeben würden. Dieses Budget kann ein unerfahrener Prüfer in der Regel nur einhalten, wenn er die Qualität schleifen lässt, und das ist im Audit keine Option.
Was es aber gibt, sind grobe weiche Deadlines nach dem Motto: "Schau dir das mal an - ich denke das dürfte etwa 2 Stunden dauern."
Diese Deadlines dienen primär dazu eine grobe Richtlinie für den erwarteten Detailgrad zu geben sowie dazu gewisse Kommunikationspunkte vorzugeben. In so einem Fall würde ich vom Praktikanten erwarten, dass er, sobald er einschätzen kann, dass er länger brauchen würde, wenn er es ordentlich macht, kurz Rücksprache hält, ob er die Aufgabe richtig verstanden hat, ob er sich die Zeit nehmen soll/kann etc.
Klare und offene Kommunikation entlastet deine Betreuer und zeigt ihnen, dass du echte Verantwortung für die Qualität und Zeitmanagement deiner Aufgaben übernimmst und nicht nur wie ein Roboter Task nach Task abarbeitest.
- Was wenn ich für meine Aufgaben länger brauche als vorgesehen?
--> Kann man das ehrlich so kommunizieren ohne das Bestehen der Probezeit zu riskieren?
--> Oder muss man Überstunden machen und diese entsprechend nicht aufschreiben?
Der wichtigste Tipp für jeden Anfänger im Audit ist: Sei lernbereit, stell Fragen!
Ich weiß, dass es immer wieder gut gemeint ist, aber es ist ermüdend mit Anfängern zu arbeiten, die immer beweisen wollen, was sie können, indem sie bei Erklärungen ungeduldig mit "Das weiß ich doch!" unterbrechen.
Ich bin Manager, WP, StB im Audit und ich tausche mich täglich vielmals mit meinen Berufskollegen über Themen aus, die mir neu sind. Nicht das Vorwissen zeichnet einen guten Mitarbeiter in der WP aus, sondern die Fähigkeit mit kritischem wachen Verstand Fragen zu stellen. Kritische, neugiere, kluge und detaillierte Nachfragen zeigen mir weit besser, dass ich es mit einem guten Anfänger zu tun habe, als der Beweis, dass Buchführungs-Basics auswendig sitzen, die man im Worst-Case mit 10 Sekunden googlen auch nachschlagen hätte können.
Was hat das mit dem Thema zu tun:
Ja, kommuniziere ehrlich. Es gibt keinen effizenteren Weg deine Kollegen im Audit auf die Palme zu bringen, als ihnen eine Arbeit mit "Ich bin fertig - war alles kein Problem!" zu übergeben, die oberflächlich gut aussieht, aber durchzogen ist mit kleinen Fehlern und Unsauberkeiten.
Frage! Kommuniziere! Übernimm die Verantwortung dafür, dass du alle Antworten bekommst, die du brauchst um deine Aufgabe so gut zu erledigen, wie sie erledigt werden muss (und falls das nicht klar sein sollte: Frage!)
Ich sage neuen Kollegen immer: Ich beurteile dich nicht anhand der Qualität einer Arbeit, die du zum ersten Mal machst, sondern anhand der Qualität der Arbeit, die du zum zweiten Mal machst - denn dann sehe ich, ob du dazulernen und das Gelernte umsetzen kannst.
Zumindest bei mir auf dem Mandat (und bei den mir bekannten Kollegen auf den Mandaten) wirst du als Praktikant mit dieser Strategie besser ankommen als mit stupidem Vollgas-Durchackern.
Und nochmal: Sollte auf einem Mandat stupides Vollgas-Durchackern gewünscht sein, findest du das heraus, indem du fragst.
- Wie viel % der Einsteiger bestehen die Probezeit in etwa?
Formal besteht die Probezeit nahezu jeder. Es gibt notfalls immer auch eine stupide Tätigkeit, die man dem schlechtesten Neuanfänger geben kann. Wenn er nicht einmal das sauber macht, wird er gerne auf andere, schlechter besetzte Mandate weitergegeben. Bis sich allgemein herumgesprochen hat, dass wirklich niemand Bedarf an diesem Kollegen hat, ist die Probezeit meist bereits vorbei.
Teilweise wird einem solchen Kollegen dann aber auch nach der Probezeit höflich eröffnet, dass er hier keine Perspektive haben wird. Und da Audit nicht durch das hohe Startgehalt, sondern die guten Perspektiven glänzt, wird dieser Wink mit dem Zaunpfahl dann in der Regel auch verstanden.
Soweit kommt es nach meiner Erfahrung in unter 10% der Fälle und hängt dann meist mit Einsteigern zusammen, die in Phasen eingestellt wurden, wo man kurzfristig noch dringend jemanden brauchte.
Kurz: Über 90% und bei den unter 10% wundert sich in der Regel dann auch niemand
Würde mich mal interessieren, was ihr dazu zu sagen habt.
Wenn ihr dazu was wisst, gerne auch angeben, ob die Info aus Big4, Next10 oder mittelständischer WPG kommt.
Die Info kommt aus einer Big4.
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