Ich hoffe, ich werde nicht gesteinigt, weil ich einen 3 Jahre alten Thread ausgrabe, aber ich geb trotzdem mal meinen Senf dazu ab.
Ich bin eigentlich Fachinformatiker für Systemintegration (also im Grunde das, was man landläufig als "Systemadministrator" bezeichnet). Kurz vor Ende unserer Ausbildung kam ein Außendienstler eines deutschlandweit tätigen IT-Dienstleisters in die Berufsschule und schwärmte davon, wieviele Leute die im Support für ihr achso gut laufendes Businesskundengeschäft brauchen würden und lud uns zu einer Infoveranstaltung ein. Also sind einige Leute aus der Berufsschulklasse zu dieser Veranstaltung, wo wir mit ca 30 anderen Leuten in einen Raum gepfercht wurden. Die Veranstaltung wurde von 2 Typen geführt, die erstmal den halben Tag von der Firma schwärmten und einen mit Informationen zutexteten, die kein Aas wirklich interessieren. Was interessierts einen zum Beispiel, wann eine bestimmte 600km entfernte Außenstelle eröffnet wurde ? Wieviele Teilhaber der Geschäftsführer vor 30 Jahren bei Firmengründung hatte ? Auch der Nachmittag war grausam, denn da sollte das Ticketsystem vorgeführt werden. Mit einem Beamer, der in einem riesigen Raum ein kaum 40cm großes Bild zurecht brachte. Die beiden Typen, die die Veranstaltung moderierten, klickten dann wild auf der Oberfläche rum, man merkte, dass sie das System selbst nie wirklich bedient hatten. Am späten Nachmittag kam dann ein "Eignungstest". Aber keiner, wo technische Fragen gestellt wurden, wie man das bei lauter angehenden IT'lern erwarten sollte, sondern es wurden beispielsweise Fragen gestellt wie "Wie hoch ist der Frauenanteil in der Filiale in Solingen ?" oder "Wieviel Jahresumsatz macht die Filiale München?". Wer merkt sich denn sowas und wozu soll dieses Wissen gut sein ? Nun, einige Wochen später kam dann ein Anruf von der Firma, wo von Businesskundensupport keine Rede war, sondern plötzlich nur noch von 1st Level-Support, wo man dussligen Sekretärinnen erklären sollte, wie sie im Drucker Papier nachfüllen. Der Anrufer schien sogar regelrecht stolz drauf zu sein, dass man ja immerhin den Mindestlohn (damals noch bei 8,50€/h) zahlen würde und war entsetzt, als ich gesagt habe, dass ich gewiss nicht täglich 140km für den Mindestlohn fahren werde.
Firma 2, genaugenommen eine Stadtverwaltung: das Gespräch war eher eine Art Verhör. Der technische Leiter, der es fühlte, fragte fast ausschließlich Fragen zum damals noch neuen Thema "Digitalisierung der Schulen". Ich sollte mir allen Ernstes in 30sek ein komplettes Konzept aus dem Ärmel schütteln. Unnötig zu erwähnen, dass sowas nicht machbar ist. Als ich wieder raus kam, saßen draußen die beiden Bewerber, die vor mir dran waren und unterhielten sich über genau dieses Thema. Als ich einige Tage später daheim Zeitungen ins Altpapier bringen wollte, fiel mein Blick auf ein Interview mit genau diesem "Verhörführer", in dem er Wochen vor dem Vorstellungsgespräch herumposaunte, dass man noch keine Idee habe, wie die "Digitalisierung der Schulen" aussehen solle. Da wurde mir klar, dass diese Stadtverwaltung den Job scheinbar nur ausgeschrieben hatte, um die Bewerber als kostenlosen "Think tank" zu benutzen.
In einer Behörde, wo ich mich als kleiner IT-Mitarbeiter beworben hatte, wurde ein Stressinterview mit mir geführt. Und zwar nicht mal mit Fragen, die meinen Fachbereich betreffen, sondern mit lauter Fragen, die ganz andere Themen betrafen. Etwa wie ich mich an Stelle des Personalchefs verhalte, wenn sich meine "Untergebenen" miteinander zoffen...warum sollte ich mir über sowas jemals Gedanken gemacht haben ? Oder welche Sachen zum Bereich Schiffstelematik gehören, weil sich die Behörde damit befasste. Warum muss sich der kleine IT'ler mit solchen Themen auskennen ? Ein Hausmeister in einem Architektenbüro muss schließlich auch kein Haus entwerfen können.
Mein bislang letztes Vorstellungsgespräch ist mir auch noch in Erinnerung geblieben. Denn das machte den Eindruck, als hätten es Personalerin und der Typ aus der Fachabteilung von Anfang an drauf angelegt, sämtliche Bewerber ablehnen zu können. So sollte ich beispielsweise für jeden früheren Arbeitgeber in meinem Lebenslauf begründen, warum ich da gekündigt hätte bzw. warum Verträge nicht verlängert wurden. Es machte den Eindruck, als wollte man MIR eine Schuld in die Schuhe schieben, dass ein verschwenderischer Ex-Chef seine Firma in die Pleite getrieben hätte oder dass ich dran Schuld gewesen sei, dass uns in einer anderen Firma die Bude überm Kopf abgefackelt ist. Auch der IT'ler war nicht besser. Denn statt Fragen, die tatsächlich die Anforderungen der Firma betragen, stellte er lieber Fragen aus der Kategorie: "Sowas merkt sich doch kein Mensch,weils irrelevant ist. Etwa der wievielte Eintrag im Kontextmenü von Word die "Ausschneiden"-Funktion ist. Oder wieviele Klicks nötig sind, um in einem Server bestimmte Einstellungen zu ändern. Wer bitte zählt sowas und warum sollte man das tun?
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