WiWi Gast schrieb am 27.04.2023:
ich bin nicht der auf den du dich beziehst. es ist natürlich in einem system in dem die begehrten medizinstudienplätze hauptsächlich nach abiturnote vergeben werden (die kaum etwas aussagt und von bundesland zu bundesland völlig unterschiedlich zu bewerten ist), einfach, mit der "bereitschaft der patienten in todesangst viel geld zu bezahlen" zu argumentieren.
genau aus diesem grund haben wir ja hier eine pflicht zur krankenversicherung. damit leute eben nicht denken "ich werd eh nie krank" und wenn sie dann doch was haben, müssen sie ihr haus verkaufen.
ausserdem ist das zulassungsverfahren anders. wenn man nicht direkt nach dem abi entsprechende noten hat, dann ist es inzwischen extrem schwer noch auf einem anderen weg an einen studienplatz zu kommen. die medizinertests gewannen erst kürzlich an bedeutung. die privat-unis in deutschland und europa kann man ausserdem wohl kaum ernst nehmen - das sorgt nicht wirklich für konkurrenz für die ärzteschaft.
man macht hier ein sehr gutes abitur und hat dann sein ganzes leben lang ausgesorgt. das studium+assistenzarztzeit ist zwar anstrengend, aber sehr verschult. es gibt wenige leute die durchfallen und man kann wenn man möchte, lange studieren. den dr. gibt es quasi geschenkt. man weiß ab dem abitur immer, was man die nächsten 10-15 jahre zutun hat und dass man sein leben lang als arzt arbeiten kann und mal mindestens sehr gut verdienen wird (sonst nirgends gegeben). die arbeitsbediungen an den kliniken für assistenzärzte sind natürlich kritikwürdig.
der nachteil ist natürlich, dass mehrleistung in starren tarifstrukturen, wie im krankenhaus vorliegend, vielleicht etwas weniger honoriert wird als bei mckinsey. aber auch dieser weg steht allen ärzten offen. genauso wie der weg in eine pharma oder igm firma.
über die preisgestaltung für niedergelassene ärzte kann ich wenig sagen, aber je nach fachrichtung scheint es da große unterschiede von sehr lukrativ bis leicht unterbezahlt zu geben.
nichtsdestotrotz scheinen die anreizsysteme aber auch in deutschland nicht zu schlecht zu sein. an den unikliniken der großstädte gehen die chefärzte (vergleichbar mit abteilungsleiter/ bereichsleiter daxkonzern) doch wohl selten unter 500k nach hause. in manchen besonders renommierten abteilungen gibt es sogar einkommensmillionäre. mir ist kein andere staatliche einrichtung mit löhnen bekannt, die regelmäßig über dem niveau der bezahlung des bundeskanzlers liegen.
wäre mir nicht bewusst dass in einer anderen staatlichen einrichtung so gut bezahlt wird.
Du hast mit dem kapitalistischen System angefangen, nicht ich. Wenn man das macht muss man auch konsequent argumentieren. Es geht auch nicht (nur) um Patienten in Todesangst, sondern um einfache, elektive ärztliche Leistungen, bei denen der Staat in Deutschland massiv die Preise unter die Preisbereitschaft drückt. Zwei konkrete Beispiele habe ich dir genannt. Praxen haben Gewinn-Margen von ~20-25%. Dein Hautarzt macht also dein Hautkrebsscreening für 6-8€ netto.
Kein Chefarzt verdient heutzutage mehr 500k (wo hast du diese Zahl her?). Die Zahl der Einkommensmillionäre an den Chefärzten kann man an zwei Händen abziehen und dürfte bald auf 0 sinken, weil Verträge mit Privatliquidation nicht mehr vergeben werden. Und die Zahl der Chefärzte an Unikliniken ist, gemessen an der Gesamtärzteschaft, winzig. Es gibt vielleicht 30 Unikliniken, und nicht jedes Fach hat einen eigenen ärztlichen Direktor. Wahrscheinlich gibt es vergleichbar viele DAX-Vorstandsmitglieder.
Wo du Recht hast: Man hat, im Vergleich zum Durchschnittsakademiker, sehr gute Gehaltsaussichten und einen sehr sicheren Job.
Man hat allerdings von allen Akademikern auch die miesesten Arbeitsbedingungen, zumindest am Anfang. Und ein Teil dieser Arbeitsbedingungen sind "jobinhärent" (Nacht- und Wochenendarbeit), das wird sich niemals bessern lassen.
"Ausgesorgt" - naja. Als Klinikarzt nicht, da ist dann irgendwo zwischen 100,000€ und 150,000€ auch Schluss, also im üblichen AT-Bereich. Und die Niederlassung ist auch immer schwerer machbar, weil private, PE-gestützte Ketten die Kassensitze aufkaufen. Und ohne Kassensitz kann man sich nicht niederlassen.
Abschließend: Das Studium ist sehr hart - deutlich härter, als die meisten anderen Studiengänge (ich habe neben Medizin auch BWL studiert - das war, Entschuldigung, ein Witz). Die niedrigen Durchfallquoten liegen auch an der starken Vorauswahl - was meinst du, wie die Durchfallquoten unter den 1,0-Abiturienten in den meisten Studienfächern aussieht? Die Assistenzarztzeit ist brutal. Die Verantwortung, gerade als leitender Arzt, ist enorm. Irgendwo müssen diese Sachen auch honoriert werden. Nicht aus öffentlichen Geldern? Schön, dann privatisiert das Gesundheitssystem und schaut, was passiert.
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